Albanien und die Albanesen : Landschafts- und Charakterbilder : mit vielen Abbildungen

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ſolchen Situation für Leib und. Leben des „im Blute Stehenden“ ſprachen, da meinten dieſe mit breitem Lachen: „Ah was, die Sache iſt niht ſo ſ{<limm, denn an Kol Nikaji traut ſich niemand heran, dec ſchießt zu gut !“ — Der Albaneſe ſägt ein Menſchenleben, auch ſein eigenes, niht ſo hoh ein, als daß ihn drohende Flintenläufe beunruhigen würden.

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Man darf wohl ſagen, daß in feinem Lande der Welt die Blutrache in ſol<h ſtrenger Form herrſcht, ſo ſehr auh dem Reiſenden auf Schritt und Tritt in Erinnerung gebra<ht wird, als in Albanien. Selbſt der Einfluß der Religion iſt gegen die Blutrache machtlos; ſie ſteht ſogar dem katholiſ<en Malzoren über der Religion und wird nur nach den ſtrengen Vorſchriften der

uralten, ungeſchriebenen Geſeßze des Lek Dukadſchin ge- |

handhabt: Die Blutrache iſt dur die Sitte geheiligt. Die Familie eines Ermorderen, ſchreibt Hahn, iſt niht nur berechtigt, ſondern auh verpflichtet, für das ihr zugefügte Leid an dem Mörder oder an deſſen Familie Vergeltung zu üben. Die Blutrache ſteht jeweils den nächſten Verwandten des Ermordeten zu und in demſelben Orte oder Bezirke iſt au< der nächſte Verwandte des Mörders ihr Objekt, wenn dieſer ſelbſt nicht erreichbar iſt. Zeichnet ſich in der Fämilie des Mörders ein Mitglied dur< Anſehen oder Tapferkeit aus, ſo gereiht es den Verwandten des Gemordeten zu Troſt und Ehre, wenn es ihnen gelingt, an dieſem Rahe zu

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nehmen. Auch kommt es vor, daß ſie für einen ihrer |

Verwandten mehrere Opfer aus der Familie des Mörders /

fordern; „jeder meiner Verwandten wiegt ſehs Männer“,

rühmt ſi<h der Albaneſe. Da nun jedes Vergeltungsopfer /

ein neues Opfer aus dem Schoße des feindlichen Ge-/ ſ<le<tes erheiſcht, und die Rachepfliht und Blutſchuld/