Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
Von Hermann Haardt. 215
das ſah Jeder ein, au wohl Maximilian ſelbſt, denn auf Entſaß war ebenſowenig Hoffnung, wie darauf, die Feſtung zu halten. Es fehlte bereits in den erſten Tagen an Lebens3mitteln. Lroßdem dachte Niemand an Ueber= gabe. Angefeuert dur das Beiſpiel des kaiſerlichen Herrn, der auf den Wällen ſi< fur<tlos dem feindlichen Feuer ausſezte und — fo ſcien es uns Allen — gefliſſentlich einen ehrenvollen Soldatentod ſuchte, focht ſelbſt der Ge-= ringſte mit dem Muthe eines Löwen. Doch ſelbſt die größte Tapferkeit vermag nichts gegen heimtüdiſchen Ver= rath, und es war dem edlen Kaiſer beſtimmt, dur< Ver= rath in die Hände ſeiner Feinde zu fallen.
Wix waren na< wenig Tagen unter unaufhörlichen Kämpfen von den Republikanern bis in die feſte Citadelle zurücgedrängt worden, Da öffnete in der Nacht vom 14. zum 15. Mai der Oberſt Lopez, derſelbe, der dur ſein falſches Manöver den Verluſt des Gefechtes verurſachte, dem Geinde die Thore der Citadelle. Escobedo drang mit ſeinen Truppen herein — und Maximilian mit dem Reſte ſeiner Getreuen war gefangen. Der Kaiſer wurde nebſt neun= zehn Perfonen ſeiner nächſten Umgebung im Kloſter de las Capuchinas untergebra<ht. Unter dieſen neunzehn Gefan= genen, denen au< i< angehörte, befanden fi< nux zwei eingeborene Mexikaner, die Generale Miramon und Mejia, deren Schifſal durchaus niht zweifelhaft ſein konnte, nachdem die republikaniſche Regierung das von Maximilian erlaſſene berüchtigte Blutedifkt vom 3. Oktober 1865 adopirt hatte, jenes Dekret, welches in feiner ſchre>lichen Kürze folgendermaßen lautete: