Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
192 Herr Ulrich v. Lichtenſtein.
Gar ſtolz und glü>li<h ſeßte er ſeine Kampffahrt fort, alle Tage Speere brechend mit immer neu ſi<h ihm ſtellen= den Rittern, worunter ſi<h manche der vornehmſten Herren befanden. Jm Ruhm des Sieges feierte man den Unbe= fannten. Zu ſeinen Chren war auf der Burg des Herrn v. Felsberg eine große Feſtlichkeit mit vielen edlen Damen angeordnet worden. Die Hausfrau ſelbſt führte ihn an der Hand in eine ſchöne Kapelle zur Meſſe, rings um ihn ſeßte man die lieblichſten Frauen.
Als ex na< Wien kam, wo ſeine Fahrt doh no< fein Ende haben ſollte, hatte er bereits 3807 Speere verſtochen und 271 Ringe aus der Hand gegeben. Nie hatte er auf ſeinem Roß gewankt, dagegen manchen Ritter aus dem Sattel gehoben. Ganz Wien pries dieſe Turnierfahrt ohne Gleichen und ſchwärmte für den geheimnißvollen Ritter.
Mitten in dieſem Rauſch von Glück, in den er verſeßt war, traf ihn eine neue Botſchaft der Dame ſeines Her= zens wie ein Donnerſchlag. Sie trieb ein grauſames Spiel mit ihrem Anbeter, dem ſie jeht ſagen licß, daß ex ein Ungetreuer ſei, dem ſie ihren Haß entbiete und von dent fie deshalb den geſchenkten Ring zurü>fordern müſſe, Der arme Lichtenſtein verzweifelte faſt ob ſolcher ungere<hten Anklage und Verurtheilung. Ex ſeßte ſih hin und weinte bitterlich, ſo daß ex faum fähig war, wieder zu Roß zu ſteigen und die Lanzen mit den feiner noh harrenden Rittern zu brechen. Jn der Nacht gab er dann ſeinem Schmetz in einem Liede Auëdru>, worin ex der Angebeteten ſeine Treue ſchwur, und der Bote, der es niedergeſchrieben, mußte es vierzig Meilen weit zu der Dame bringen.