Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
Von Ernſt Hellmuth. - 193
Dies wirkte. Die herzloſe Schöne zeigte ſich wieder gnädig und ließ ihm, der inzwiſchen weiter gezogen, ſagen, daß ſie ihn bei ſi< ſehen wolle; doh müſſe ex, als Aus= ſäßiger verkleidet, ſhon nächſten Sonntag früh gleich anderen Ausëſäßigen kommen und vox threr Burg des Weiteren harren. Auch ließ ſie ihn niht im Zweifel darüber, daß ſie ihn ſeines Minnedienſtes für ſie entheben wolle;
Ulrich nahm gleichwohl in ſeiner blinden Leidenſchaft, zu welcher er ſi< in ſeiner Schwärmerei hatte fortreißen laſſen, niht Anſtand, dieſe erniedrigenden Bedingungen zu exfüllen. Er mußte an einem Tage mit ſeinen zwei Knechten allein über dreißig Meilen abreiten, um zur be= ſtimmten Zeit vor der Buxg der Grauſamen eintrefſen zu fönnen. Zwei Pferde brachen ihm auf dieſem tollen Ritt todt zuſammen. Abex er war am Sonntag früh zur Stelle und ſeßte ſich in der demüthigenden Verkleidung zu den Ausſäßigen, deren ſi<h eine Menge wegen des Almoſens eingefunden hatten, in's Gras. Er ſpielte ſeine traurige Rolle ſo weit, daß er mit dem Bettelnapf an's Burgfenſter klopfte, um ſeine Anweſenheit kund zu thun. Die Burgfrau ließ ihm, als ſie davon gehört, Wein, Brod und Hühner hinausbringen und dabei ſagen, daß er am Abend wieder auf den Berg ſteigen möchte. Bis dahin vertrieb ex ſi die Zeit mit Betteln im Dorfe, als müſſe er dies in redlicher Durchführung ſeiner Aufgabe thun. Ex ſah au< jämmerli<h genug aus, Er hatte eine Wurzel in den Mund genommen, deren ſcharfer Saft ihm ein bleiches und geſchwollenes Geſicht gleih einem Aus=
Bibliothek. Jahrg. 1884. Bd. VII. 13