Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
Von H. Berka. 207
von dem friſchen Honig, den der Gutsverwalter heute in aller Frühe na< der Stadt ſchi>te. Dann befiehlt ſie, ihr Töchterchen zu bringen und tändelt ein Viertelſtünd= en mit dem Kinde — die einzige Mutterpflicht, die ihr obliegt, denn im Uebrigen ruht die ganze Erziehung in Sklavenhänden.
Aber kehren wir zu dem Herrn des Hauſes zurü>. Die amtlichen Geſchäfte ſind erledigt, die Sänftenträger haben den ermüdeten Sulpicius im Eilſchritt nah Hauſe tragen müſſen, denn es naht bereits die fünfte Stunde *) und er bedarf der Stärkung und der Nuhe. Aber die leh= tere wenigſtens ſoll ihm niht werden, denn kaum iſt ihm ein leichtes Frühſtü> ſervirt worden, fo naht auh ſchon der Hausverwalter mit den Rechnungsbüchern, und von dem Buchhändler iſ eine Sendung Rollen eingetroffen, die neue Epigramme enthalten ſollen und in ihren gelb= gefärbten Pergamenthüllen des Senators Neugier ſo weden, daß er fofort den Vorleſer herbeizurufen befiehlt. Auch der Koch läßt ſi<h melden, um Bericht über ſeine Vorbereitungen zur heutigen Coena zu erſtatten, welche wegen einiger Gäſte no< glanzvoller als gewöhnli<h ausfallen ſoll. Die wichtige Konferenz zieht ſi< in die Länge und au< der Tafelde>er (tricliniarcha) und der Vorſchneider (scis807) werden dazu befohlen.
Schnell iſt ſo die achte Stunde herankommen, und da ſi<h Sulpicius in den öffentlichen Thermen mit einem
#) Die Römer theilten den Tag und die Nacht je gleiche
mäßig in 12 Stunden ein, deren erſte mit dem Sonnenauf- reſp. Untergang anhob.