Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
218 Das Phantom des ewigen Friedens. —
Die Völkerwanderung, der Anſturm der kriegeriſchen Germanen legte das friegsuntüchtig gewordene Römexrreich in Trümmer, die Lehre des friſche Blüthen entfaltenden erſten Chriſtenthums pries zwar den Frieden, aber ohne _ ihn au praktiſch verwirklichen zu können. Erſt 800 Jahre na< jenem römiſchen Jmperatox, der die Friedensvalme über den Erdkreis ausbreiten wollte, tauchte derſelbe Gedanke in veränderter Form von Neuem auf. Jn Süd= — frankreich gab unter dem vernichtenden Dru> unaufhörlicher Fehden die Geiſtlichkeit die Anregung zur Stiftung eines Griedensbundes. Der edle Abt Odilo v. Clugny, die Biſchöfe von Arles, Nizza und Avignon traten 1041 zu= ſammen und entwarfen die Urkunde der „Treuga dei“, des „Gottesfrieden8“, FJndeſſen fühlten fie die Nothwen= digkeit, ihrer wilden -Zeit Zugeſtändniſſe zu machen. Sie wollten niht den allgemeinen Frieden, ſondern erklärten
nur die Zeit vom Donnerſtag bis zum Montag jeder
Woche, als die Tage von Chriſti Leiden und Auferſtehung, für feierlich „gefriedet“.
Die Einrichtung fand ebenſo ſ{<nel!l allgemeinen An= klang und verehrende Bewunderer — als ſie geſtört und miß= achtet wurde. Der Papſt Urban ïI. nahm ſie ſogar für das ganze Gebiet der Kirche an, ſie wurde als ein Be-= ſtandtheil des fanoniſchen Rechtes anerkannt: merkwürdi= “ger und wohl zu beachtender Weiſe auf derfelben Kirchenverfammlung, die den erſten Kreuzzug beſchloß.
So ſ{<ön und erhaben es gewiß gedacht war, der ver=
einten Chriſtenheit den Frieden zu geben, während ſie zum Kampf um das Grab des Crlöſers au8zog, der innere Wider=