Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Allgemeines. 595

Die Trugratten kleben in Wäldern oder in offenen Gegenden, die einen in He>en und Buſchwerk, die anderen an den Straßenanpflanzungen, zwiſchen Felſen, an den Ufern von Flüſſen und Strömen, ſelbſt an der Küſte des Meeres. Gewöhnlich wohnen ſie geſellſchaftlih in ſelbſtgegrabenen unterirdiſchen Bauen mit zahlreihen Mündungen. Einige ſind echte Wühler, welche, wie die Maulwürfe, Haufen aufwerfen und faſt beſtändig unter der Erde verweilen, andere halten ſi< in Di>kichten auf und klettern geſchi>t auf Bäumen umher. Jhre gewöhnliche Arbeitszeit iſt die Nacht; nur wenige ſind auch bei Tage thätig. Sie ſind im ganzen plump und ſ<hwerfällig; doh muß man dagegen bei einigen gerade die große Schnelligkeit bewundern, mit welcher ſie ſih auf den Bäumen oder auh unter der Erde bewegen. Manche Arten ſind wahre Waſſertiere und verſtehen das Shwimmen und Tauchen ganz vortrefflich. Soviel man bis jeßt weiß, verfallen ſie niht in einen Winterſchlaf; gleichwohl tragen ſi< einzelne Nahrungsvorräte ein. Unter ihren Sinnen ſtehen Gehör und Geru< obenan; das Geſicht zeigt ſih bloß bei wenigen entwid>elt und bei den unterirdiſ{< lebenden, wie ſi faſt von ſelbſt verſteht, verkümmert. FJhre geiſtigen Fähigkeiten ſind gering; bloß die größten und vollkommenſten Arten geben von ihrem Verſtande Kunde, Die

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— Serippe der NRohrratte. (Aus dem Berliner anatomiſchen Muſeum.)

Gefangenſchaft ertragen ſie ziemlih leiht, find neugierig, beweglih, lernen ihre Pfleger kennen und ihnen folgen und erfreuen durch ihr zierlihes Weſen. Jhre Vermehrung iſt ziemlih bedeutend; denn die Zahl ihrer Fungen ſ{hwankt zwiſchen 2 und 7; aber ſie werfen, wie die meiſten anderen Nager, mehrmals im Fahre und können zu Scharen anwachfen, welche in den Pflanzungen und Feldern bedeutenden Schaden anrichten. Der geringe Nutzen, den ſie dur< ihr Fleiſch und ihr Fell leiſten, kommt jenen Verwüſtungen gegenüber niht in Betracht.

In Chile, Peru und Bolivia leben die Strauchratten (Octodon), ſozuſagen Mittelglieder zwiſchen Eichhörnchen und Ratten, obſchon ſie erſteren mehr als leßteren ähneln. Der Leib iſt gedrungen und kurz, der Hals kurz und di>, der Kopf verhältnismäßig groß, der Shwanz an der Spiße meiſt gepinſelt; die Hinterbeine ſind merklich länger als die Vorderbeine; alle Füße haben fünf freie, bekrallte Zehen. Mittelgroße, ziemlih breite und aufre<t ſtehende, an der Spiße abgerundete, dünn behaarte Ohren, mittelgroße Augen, geſpaltene Oberlippen zeihnen den Kopf aus, glatte, ungefurhte und ſpite Nagezähne, wurzelloſe Backenzähne, deren Kauflächen faſt einer arabiſchen 8 gleichen (daher der Name Octodon), das Gebiß. Die Behaarung des Körpers iſt reihli<h, wenn auch kurz, das Haar tro>en und rauh.

‘Der Degu (Octodon cummingii, Scinrus und Dendrobius degus, Octodon pallidus) ift oben bräunlihgrau, ungleihmäßig gefle>t unten graubräunli<h, auf Bruſt und 38*