Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

616 Siebente Drdnung: Nager; zwölfte Familie: Haſenmäuſe.

Von diefem Tiere ſtammen wahrſcheinlich die Felle, die als „Chinchillones“ in den Handel kommen. Sie haben geringen Wert; bloß etlihe hundert gelangen jährli<h na< Europa.

ES

Der Vertreter der dritten Gattung, die Viscacha, wie au<h wir ſie nennen (Lagostomus trichodactylus, Dipus maximus, TLagostomus und Callomys viscacha, Lagotis criniger), ähnelt mehr der Chinchilla als den Arten der vorhergehenden Gattung. Der gedrungene, kurzhalſige Leib hat ſtark gewölbten Rücken, die Vorderbeine ſind furz und vierzehig, die träftigen Hinterbeine doppelt ſo lang als jene und dreizehig. Der Kopf iſt di>, rundlich, oben abgeflacht und an den Seiten aufgetrieben, die Shnauze kurz und ſtumpf. Auf Lippen und Wangen ſißen Schnurren von ſonderbarer Steifheit, welche mehr Metallz- als Horngebilden ähneln, große Federkraft beſigen und klingen, wenn man über ſie ſtreiht. Mittelgroße, aber ſ<hmale, ſtumpf zugeſpißte, faſt na>te Dhren, weit auseinander ſtehende, mittelgroße Augen, die behaarte Naſe und tief eingeſhnittene Dberlippen tragen zur weiteren Kennzeihnung des Kopfes bei. Die Fußſohlen ſind vorn behaart, in ihrer hinteren Hälfte aber na>t und ſhwielig, die Handfohlen dagegen ganz na>t. Kurze, von weichen Haaren umkleidete Nägel bewaffnen die Vorderfüße, längere und ſtärkere die Hinterfüße. Die Backenzähne, mit Ausnahme der oberen hinterſten, zeigen 2 Schmelzblättex, der hinterſte hat deren 3. Ein ziemlih dichter Pelz bede>t den Leib. Die Oberſeite beſteht aus glei<hmäßig verteilten grauen und ſhwarzen Haaren, weshalb der Rü>en ziemlih dunkel erſcheint; der Kopf iſt graulicher als die Seiten des Leibes, eine breite Binde, welche ſich über den oberen Teil der Schnauze und der Wangen zieht, weiß, der Schwanz {mutig weiß und braun gefle>t, die ganze Unter- und die Fnnenſeite der Beine weiß. Mehrere Abweichungen find bekannt geworden. Die am häufigſten vorkommenden haben mehr rötlichgrauen, ſ{<hwarz gewölkten Rücken, weiße Unterſeite, rötlihbraune Querbinde über die Wangen, ſ<hwarze Schnauze und {<hmußig kaſtanienbraunen Schwanz. Die Leibeslänge beträgt 50 cm, die des Schwanzes 18 cm.

Die Viscacha vertritt ihre Familienverwandten im Oſten der Anden; ihr Wohngebiet bilden gegenwärtig die Pampas von Buenos Aires bis Patagonien. Ehe die Anbauung des Bodens ſo weit gediehen war wie gegenwärtig, fand man ſie au< in Paraguay. Wo ſie no< vorkommt, tritt ſie in großer Menge auf. An manchen Orten trifft man ſie ſo häufig, daß man beſtändig, jedo<h niemals am Tage, zu beiden Seiten des Weges ganze Rudel ſißen ſieht. Gerade die einſamſten und wüſteſten Gegenden ſind ihre Aufenthaltsorte; doh kommt ſie bis diht an die angebauten Gegenden heran, ja die Reiſenden wiſſen ſogar, daß die ſpaniſchen Anſiedelungen niht mehr fern ſind, wenn man eine Menge „Viscacheras“ oder Baue unſeres Tieres findet.

Jn den ſpärlih bewachſenen und auf weite Stre>en hin kahlen, dürren Ebenen ſchlägt die Viscacha ihre Wohnſiße auf und gräbt ſih hier ausgedehnte unterirdiſhe Baue, am liebſten in der Nähe von Gebüſchen und niht weit von Feldern entfernt. Die Baue werden gemeinſchaſtli<h angelegt und auh gemeinſchaftlih bewohnt. Sie haben eine Unzahl von Gängen und Fluchtröhren, oft 40—50, und ſind im Fnneren in mehrere Kammern geteilt, je nah der Stärke der Familie, welche hier ihre Wohnung aufgeſchlagen hat. Die Anzahl der Familienglieder kann auf 8—10 anſteigen; dann aber verläßt ein Teil der JFnwohnerſchaft den alten Bau und legt ſih einen neuen an, gern dicht in der Nähe des früheren. Nun geſchieht es außerdem, daß die Höhleneule, welche wix als Geſellſchafter der Prairiehunde kennen lernten, auh hier ſih einfindet und ohne große Umſtände von einem oder dem anderen Baue Beſiß nimmt. Die reinlichen Viscachas dulden niemals einen Mitbewohner, welcher nicht ebenſo ſorgfältig auf Drdnung hält wie ſie, und entfernen ſich