Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

618 Siebente Drdnung: Nager; zwölfte Familie: Haſenmäuſe,

gekommene Gegenſtände, welche ihnen ganz entſchieden nicht den geringſten Nußen gewähren, vor ihren Bauen aufgeſchichtet, und die Gauchos gehen daher, wenn ſie etwas vermiſſen, zu den nächſten Viscacheras hin, um dort das Verlorene zu ſuchen. Aus dem Juneren ihrer Wohnungen entfernen die Tiere ſorgfältig, was nicht hineingehört, auch die Leichen ihrer eigenen Art. Db ſie ſi einen Vorrat für den Winter in ihrer Höhle ſammeln, um davon während der rauhen Jahreszeit zu zehren, iſt no< unentſchieden; wenigſtens behauptet es nux einer der älteren Naturforſcher. Die Stimme beſteht in einem fonderbaren lauten und unangenehmen Schnauben oder Grunzen, welches niht zu beſchreiben iſt.

Über die Fortpflanzung iſt bis jezt nichts Sicheres bekannt. Die Weibchen follen 2—4 Junge werfen und dieſe nah 2—4 Monaten erwachſen ſein. Göring ſah immer nur ein Junges bei den alten Viscachas. Es hielt ſi ſtets in nä<hſter Nähe von ſeiner Mutter. Die Alte ſcheint es mit vieler Liebe zu behandeln und verteidigt es bei Gefahr. Eines Abends verwundete mein Gewährsmann mit einem Schuſſe eine Mutter und ihr Kind. Letteres blieb betäubt liegen; die Alte aber war niht tödlih getroffen. Als ſi<h Göring näherte, um ſeine Beute zu ergreifen, machte die Alte alle möglichen Anſtrengungen, um das Junge fortzuſchaffen. Sie umging es wie tanzend und ſchien ſehr betrübt zu ſein, als ſie ſah, daß ihre Anſtrengungen nichts fruchteten. Beim Näherkommen unſeres Jägers erhob ſi die Alte plößlich auf ihre Hinterbeine, ſprang fußho<h vom Boden auf und fuhr ſ<hnaubend und grunzend mit ſolcher Heftigkeit auf ihren Feind los, daß dieſer ſi<h dur< Stöße mit dem Flintenkolben des wütenden Tieres erwehren mußte. Erſt als die Alte ſah, daß alles vergebli<h und ihr Funges nicht zu retten war, zog ſie ſi< na< ihrem nahen Baue zurü>, ſchaute aber auh von dort aus noh immer mit ſichtbarer Angſt und grimmigem Zorne nah dem Mörder ihres Kindes. Wenn man dieſe Jungen einfängt und ſih mit ihnen abgibt, werden ſie zahm und können, wie unſere Kaninchen, mit Leichtigkeit erhalten werden. Hier und da trifft man Viscachas auch in europäiſchen Tiergärten an; eine im Frankfurter Garten gehaltene war na<h Haa>e ſtets ſumpfſinnig, mürriſh und voller boshafter Wut.

Man ſtellt der Viëcacha weniger ihres Fleiſches und Felles halber als wegen ihrer unterirdiſchen Wühlereien nah. An den Orten, wo ſie häufig iſt, wird das Reiten wirklich lebensgefährlich, weil die Pferde oft die Deen der ſeihten Gänge durchtreten und hierdur< wenigſtens außerordentlich aufgeregt werden, wenn ſie nicht ſtürzen und dabei ihren Reiter abwerfen oder gar ein Bein bre<hen. Der Landeingeborene erkennt die Viscacheras ſchon von weiten an einer kleinen, wilden, bitteren Melone, welche vielleiht von den Tieren gern gefreſſen wird. Dieſe Pflanze findet ſih immer da, wo viele Viscacheras ſind, oder umgekehrt, dieſe werden da angelegt, wo die Pflanzen nach allen Seiten hin ihre grünen Ranken verbreiten. Es iſt ſomit ein Zeichen gegeben, die gefährlichen Stellen zu vermeiden. Man verſucht die Viscachas mit allen Mitteln aus der Nähe der Anſiedelungen zu vertreiben und wendet buchſtäblih Feuer und Waſſer zu ihrer Vernichtung an. Das Gras um ihre Höhlen wird weggebrannt und ihnen ſomit die Nahrung entzogen; ihre Baue werden unter Waſſer geſeßt und ſie ſelber gezwungen, ſih ins Freie zu flüchten, wo die außen lauernden Hunde ſie bald am Kragen haben. Göring wohnte einer ſolchen Viscachajagd bei. Man zog von einem größeren Kanal aus einen Graben bis zu den Viscacheras und ließ nun Waſſer in die Röhren laufen. Mehrere Stunden vergingen, ehe der Bau gefüllt wurde, und bis dahin vernahm man außer dem gewöhnlichen Schnauben ni<hts von den ſo tüciſ< verfolgten Tieren. Endlich aber zwang ſie die Waſſernot zur Flucht. Ängſtlih und wütend zugleih erſchienen ſie an den Mündungen ihrer Höhle, ſ{hnaubend fuhren ſie wieder zurü>, als ſie außen die lauernden Jäger und die furhtbaren Hunde ſtehen ſahen. Aber höher und höher ſtieg das Waſſer, größer und fühlbarer wurde die Not: endlih mußten ſie flüchten. Augenbli>li<h waren ihnen die wachſamen Hunde auf den Ferſen; eine wütende Jagd begann. Die Viscachas wehrten