Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Feldhaſe: Fortpflanzung. Alter. Gefangenleben, 627

Sghleicher, Wegelagerer und Raubmörder hinter dem Friedlichen und Wehrloſen her, das ſtille Eden ſeiner Fluren und Wälder in einen Plan der Bedrängnis und des Todes umzuwandeln; jagt doh die Reihe der Hunde, vom krummläufigen, langſamen Dächſel bis zum hocläufigen, \<hlanken, ſturmflühtigen Windhunde ihn, den ſchnellſten Renner der Fluren und Mälder, zu Tode. Und wo ſelbſt die Ausdauer und Flüchtigkeit des Hundes niht ausreicht, wo der Spürſinn, die Liſt und die Mordgier der Naubtiere, wo die Unwetter und Geſchi>ke der Natux unſeren Bedrängten verſchonten: da hält der Menſch mit ſeiner tauſendfachen Pein und Liſt zum Verderben des Ärmſten noch ſeine Mittel bereit. Als das grauſamſte und zugleich hinterliſtigſte Raubtier verurteilt er den Leidgeborenen auh no< zum Strange. Er ſhleiht wie der Mörder bei Nacht und Nebel in den Wald und legt in den Paß die ſcheußliche Drahtſchlinge, in welcher ſi der Harmloſe am Halſe fängt, und an welcher er den jämmerlichen Tod des Erſtickens ſtirbt. Aber dies thut nur der Wilderer, nimmermehr der Weidmann!“

Über die weid- und niht weidgerehte Jagd des Haſen ſind Bücher geſchrieben worden, und es kann daher meine Abſicht niht ſein, auf verſchiedene Jagdarten näher einzugehen. Nah meinem Geſhmacke gewähren dem Jäger die Suche und dex Anſtand das meiſte Vergnügen. Die Haſenheße mit Windhunden iſt zwar im hohen Grade aufregend, verdirbt aber die Jagd; Keſſel- oder Leinentreiben werden, ſo vergnüglich ſie in nicht zu ſtark bevölkerten Gebieten ſind, da, wo es viele Haſen gibt, ſchließlich zu einer förmlichen Schlächterei, während Suche und Anſtand immer in Spannung erhalten und des Jägers am würdigſten ſind. Dieſer hat auf der Suche Gelegenheit, ſich als Weidmann zu zeigen, und ſchöpft auf dem Anſtande manche Belehrung, weil er die Tiere, nicht die Haſen allein, ſozuſagen noh in ihrem Hausanzuge antrifft und ihr Benehmen im Zuſtande gänzlicher Ruhe und Sorgloſigfeit beobachten kann. Mancher Jäger zieht den Waldanſtand jeder anderen Fagd vor; denn das ſüßeſte, die Hoffnung, iſt hier des Weidmanns treue, unzertrennliche Gefährtin.

Gefangene Haſen werden leiht zahm, gewöhnen ſi<h ohne Weigerung an alle Nahrung, welche man den Kaninchen füttert, ſind jedoch zärtlih und ſterben leiht dahin. Wenn man ihnen nur Heu, Brot, Hafer und Waſſer, aber nie Grünes gibt, leben ſie länger. Bringt man junge Haſen zu alten, ſo werden ſie regelmäßig von dieſen totgebiſſen. Anderen ſchwachen Tieren ergeht es ſelten beſſer: im Gehege von mix gepflegter Haſen fand ih eine getötete halb aufgefreſſene Natte. Mit Meerſchweinchen vertragen ſih die Haſen gut.

Fung eingefangene Haſen gewöhnen ſi<h ſo an den Menſchen, daß ſie auf deſſen Ruf herbeifommen, die Nahrung aus den Händen nehmen und troß ihrer Dummheit Kunſtſtü>kchen ausführen lernen; alte dagegen bleiben immer ungelehrig und gewöhnen ſi<h kaum an ihren Pfleger. Die Gefangenen ſind nett und munter, verlieren ihre Furchtſamkeit jedoch niht. „Lächerlich ſieht es aus“, ſagt Lenz, „wenn man in den Stall eines Haſen mit einem weißen Bogen Papier oder ſonſt einem ähnlichen Dinge eintritt. Der Haſe gerät ganz aus der Faſſung und ſpringt wie verrückt meterho<h an den Wänden in die Höhe.“ Anderſeits gewöhnen ſi<h Haſen jedo<h au<h na<h und nach ſelbſt an ihre erklärten Feinde. Der königlich bayriſche Revierförſter Fu <s zu Wildenberg in Unterfranken beſaß, wie die „Jagdzeitung“ erzählt, einen ausgewachſenen gezähmten Haſen, welcher mit den Fagdhunden eine und dieſelbe Lagerſtätte teilte, mit ihnen auh aus einer Schüſſel fraß und beſonders die Zuneigung eines auf der Jagd ſcharfen, jungen Hühnerhundes ſih in dem Grade erworben hatte, daß dieſer ihm dur<h Belecken 2c. alle Freundſchaftsbezeigungen angedeihen ließ, obgleih der Haſe ihn und andere Hunde dur< Trommeln auf Kopf und Rücken oft ſehr rü ſichtslos behandelte. Als bemerkenswert fügt der Beobachter noh hinzu, daß beſagter Haſe nichts lieber fraß als Fleiſch jeder Gattung und nux in Ermangelung deſſen grünes Futter zu ſi<h nahm. Kalb- und Schweinefleiſch, Leber- und Schwartenwurſt brachten ihn in

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