Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

628 Siebente Ordnung: Nager; dreizehnte Familie: Hajen.

Entzücken, ſo daß er förmlich tanzte, um dieſer Le>erbiſſen teilhaftig zu werden. Wer Haſen aufzieht, wird beſtätigt finden, was er auh im Freien an ihm wohlbekannten Stücken beobachten fann: daß ſie nämlih ihrem Weſen nach im allgemeinen zwar übereinſtimmen, aber doh vielfach eine ausgeprägte Eigenart beſißen, die ſih bei frei lebenden wie bei gefangenen in ihrem Thun und Treiben kundgibt. Fhr Charakter iſt eben ſehr verſchiedenartig entwidelt: von aufgezogenen iſt der eine gutmütig, zutraulih und umgänglich, der andere unverträgli<h, boshaft und ſcheu, dieſer flug und verſtändig, jener dumm und unüberlegt, ein fünfter immer luſtig und guter Dinge, ein ſe<hſter mürriſch und launenhaft. Das gibt au<h ihrem Äußeren ein Sondergepräge, woran ſie der Pfleger bei aller ſcheinbaren Gleichheit ſehr genau unterſcheiden kann; au< ein Haſengeſicht iſt ausdru>sfähig, ganz abgeſehen von den ſonſtigen Eigenheiten in der Stellung der einzelnen Tiere, mögen ſie ruhen oder ſih bewegen.

Über Nuten und Schaden des Haſen herrſchen verſchiedene Anſichten, je nahdem man vom wirtſchaftlichen oder jagdlichen Standpunkte urteilt. Der unbefangene Richter wird den Haſen unbedingt als ſhädliches Tier bezeihnen müſſen und behaupten dürfen, daß er mindeſtens das Doppelte von dem gebraucht, was er auf dem Markte einbringt. Fn den meiſten Gegenden unſeres Vaterlandes macht ſich dies aus dem Grunde wenig fühlbar, weil der Haſe überall zu naſchen pflegt und ſomit ſeine Plünderungen auf einen großen Raum verteilt; wegſtreiten aber läßt ſi< der von ihm verurſahte Schade niht. Fn Gemarkungen, in denen Tauſende und mehr Haſen alljährlih erlegt werden, macht ſih der durch die Haſen herbeigeführte Verluſt an Futter ſehr wohl bemerklih. „Nach den von Dettweiler aufgeſtellten Berehnungen““, ſagen die Gebrüder Müller, „bedarf ein zu 2—5 kg Gewicht angenommener Haſe nahe an 50 kg vorzüglichen Heues, um jenes Gewicht hervorzubringen, ähnlich wie dies nah Fütterungsverſuchen bei Stallvieh gefunden worden iſt. Anderthalbtauſend in den Gemarkungen von Oderheim und Alsheim in Heſſen in einem Fahre ge\{<o|ſene Haſen ſtellen ſona, 50 kg Heu zu 3—5 Mark gere<hnet, einen Schaden von 5250 Mark dar, d. h. die angeführte Anzahl Haſen verzehrt dur(hſchnittlich für die angegebene Summe Felderzeugniſſe. Obgleich gegen dieſe Berechnungen Einwendungen mancher Art erhoben werden können, ſind doh die Dettweilerſchen Betrachtungen vom nationalökonomiſchen Standpunkte aus zu würdigen, weil ſie den allerdings ſehr ſchwierigen und ſhwankenden Maßſtab der Wertberehnung an den von den Haſen verübten Schaden legen. Daß dieſer gerade an den beſten Feld- und Gartenerzeugniſſen in haſenbevölkerten, mit wenig oder gar keinem Walde verſehenen Feldebenen kein eingebildeter zu nennen iſt, wird jedem, welcher in dieſer Angelegenheit tiefer zu ſchauen Gelegenheit hatte, klar bewußt ſein. Der Haſe geht nach unſeren eingehenden Beobachtungen die beſten, zarteſten Futtergewächſe, wie Klee und Nunkelrüben, Kohl, vorzüglih auh Gemüſearten und ebenſo die jung ausgepflanzten Gewächſe gerade in ihrer Entwicelung an, äſet die Ähren der Gerſte und des Hafers ſehr gern und wird dur ſeine oft eine Stre>e durs Getreide gehenden Pfädchen mittels Abbeißens und Niedertretens der Ha‘me nachteilig. Dieſer Schade kann bei großer Vermehrung ſehr empfindlih Plaß greifen, während er bei mäßigem Haſenſtande, wie ihn unſere vaterländiſchen Gegenden aufweiſen, nicht erkennbar wird. Denn der Haſe liebt es, genäſchig, wähleriſ< und unruhig, wie er iſt, hier und da nux Weniges zu äſen auh nie einzeln an einem und demſelben Orte länger zu verweilen, und das Zerſtörende feiner Thätigkeit beſchränkt ſih deshalb nicht etwa auf einen Aer, ſondern ſtellt ſih als övtlih verſchwindende Wirkung von einem Wenigen übec weite Stre>en dar.“

Darf nun auch die Schädlichkeit des Haſen als bewieſen gelten, ſo iſt damit noch keineswegs geſagt, daß man ihn ausrotten ſoll. Man ſorgt ohnehin genug für ſeine Verminderung, und diejenigen, denen er erſichtlih ſhädlih und läſtig wird, haben es in der Hand,