Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Feldhaſe. Alpenhaſe. 629

ſeinen Beſtand nah Belieben zu verringern; denjenigen aber, welche ſi< für unbedingte Vertilgung des Nagers ausſprechen, läßt ſi<h erwidern, daß das Jagdvergnügen und das wohlſhme>ende Wildbret des Haſen doch ebenfalls Berückſichtigung verdient.

Außer dem mit Recht geſchäßten Wildbret des Haſen nußt man auch deſſen Balg. Von der von Haaren entblößten und gegerbten Haut verfertigt man Schuhe und eine Art Pergament oder benugt ſie zur Leimbereitung; die Haare werden zur Herſtellung von Filzhüten verwendet. Jährlich kommen, nah Lomer, 83—4 Millionen Felle in den Handel zum Preiſe von 30—75 Pfennig das Stü>. Sibiriſche weiße Haſenfelle werden ſeit etwa einem Fahrzehnte vorteilhaft verwertet: ſie werden ſ{hwarz, braun, blau oder luchsfarbig gefärbt ſowie geſchoren und dem Pelze der Chinchilla ähnlich gefärbt und ſodann zu ſehr gefällig ausſehendem, aber unhaltbarem Pelzwerke verarbeitet, Von diefen Fellen kommen jährlih 1—1 5 Millionen zu 0, 5—2 Mark das Stü in den Handel. Fn der alten Arzneikunde ſpielten Haare, Fett, Blut und Gehirn, ſelbſt Knochen, ſogar der Kot des Haſen eine bedeutende Nolle, und no< heutigestags wenden abergläubiſhe Menſchen Lampes Fell und Fett gegen Krankheiten an. Der Haſe genoß denn auch längere Zeit die Ehre, als ein verzaubertes Weſen zu gelten. Noch im vorigen Jahrhundert glaubte man in ihm einen Zwitter zu ſehen und war feſt überzeugt, daß ex willkürlih das Geſchlecht zu ändern im ſtande ſei, alſo ebenſowohl als Männchen wie als Weibchen auftreten könne. Die Pfädchen, welche er ſich im hohen Getreide durhbeißt, werden noh heutzutage für Hexenwerke angeſehen und mit dem Namen Hexenſtiege belegt.

Die in Neuſeeland eingebürgerten Haſen ſind, laut N. von Lendenfeld, „niht gewohnt, vor Feinden flüchten zu müſſen, re<t faul geworden und laufen vor dem Jäger ſo langſam davon, daß ſie ſehr leiht zu treffen ſind“.

Noch iſt niht ausgemaht, ob der Schneehaſe der Alpen und der des hohen Nordens eine und dieſelbe Art bildet. Jm allgemeinen erweiſen ſich beide als treue Kinder ihrer Heimat. Sie ſind Tiere, deren Kleid dem Boden nah den Umſtänden angepaßt iſt; doh kommen hier eigentümliche Abweichungen vor. Die Alpenſchneehaſen ſind im Winter rein weiß, nur an der Spite der Ohren ſchwarz, im Sommer graubraun, und zwar rein einfarbig, nicht geſprenkelt wie der gemeine Haſe. Die in Jrland lebenden, jenen ſehr ähnlichen Haſen werden angebli< nie weiß und deshalb von einigen Gelehrten als beſondere Art (Lepus hibernicus) angeſehen. Umgekehrt entfärben ſich die im höchſten Norden wohnenden Schneehaſen im Sommer nicht, ſondern bleiben das ganze Jahr hindurh weiß und werden deshalb ebenfalls als eigene Art (Lepus glacialis) betrahtet. Die ſkandinaviſchen Haſen, welche ſämtlih Schneehaſen ſind, unterſcheiden ſi ebenfalls: die einen werden weiß bis auf die ſhwarze Ohrenſpiße, die anderen verändern ſih niht. Bei ihnen iſt das Unterhaar ſchiefergrau, die Mitte ſ<hmugtig rotbraun und die Spiße weiß. Dieſe Färbung ſcheint aber eine rein zufällige zu ſein; man behauptet wenigſtens, daß oft Haſen eines und desſelben Sates beide Färbungen zeigen. Man wird, ſolange nicht anderweitige Unterſchiede ſih auffinden laſſen, die erwähnten Schhneehaſen kaum trennen dürfen, und jedenfalls haben wir nicht unrecht, wenn wir zur Zeit no< alle genannten Haſen zu einer Art vereinigen.

Dieſe Art, der Alpen- oder Shneehaſe (Lepus timidus, L. alpinus, albus, borealis, canescens, hibernicus, variabilis)/ unterſcheidet fi< im Körperbau und Weſen ganz beſtimmt vom Feldhaſen. „Er iſt“, ſagt Tſchudi, „munterer, lebhafter, dreiſter, hat einen kürzeren, runderen, gewölbteren Kopf, eine kürzere Naſe, kleinere Dhren, breitere Baen; die Hinterläuſe ſind länger, die Sohlen ſtärker behaart, mit tief geſpaltenen, weit ausdehnbaren Zehen, welche mit langen, ſpißen, krummen, leicht zurückziehbaren Nägeln bewaſſnet ſind. Die Augen ſind niht, wie bei den weißen Kaninchen, weißen Eichhörnchen