Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Alpenhaſe: Härung und Farbenwe@hſel. 631

Spätjahre ſ{<neller vor fih und iſt vom Anfang Oktober bis Mitte November vollendet. Wenn die Gemſen ſhwarz werden, wird ihr Nachbar, der Haſe, weiß. Dabei bemerken wir folgende merkwürdige Erſcheinungen. Zunähſt vollzieht ſih die Umfärbung nicht nah einer feſten Zeit, ſondern richtet ſih nach der jeweiligen Witterung, ſo daß ſie bei früherem Winter früher eintritt, ebenſo bei früherem Frühlinge, und immer mit dem Farbenwechſel des Hermelins und des- Shneehuhns, wel<he den gleichen Gefeßen unterliegen, Schritt hält. Ferner geht zwar die Herbſtfärbung infolge der gewöhnlihen Wintermauſerung vor ſi, der Farbenwechſel im Frühlinge ſcheint ſich dagegen an der gleihen Behaarung zu vollziehen, indem erſt die längeren Haare an Kopf, Hals und Rüden von ihrer Wurzel an bis zur Spitze \hwärzlih, die unteren weißen Wollhaare dagegen grau werden. Doch iſt es no< niht ganz gewiß, ob niht au< im Frühjahre vielleiht eine teilweiſe Mauſerung vor ſih gehe. Jm Sommerkleide unterſcheidet ſi< der Alpenhaſe inſoweit von dem gemeinen, daß jener olivengrauer iſ mit mehr Schwarz, dieſer rötlihbraun mit weniger Schwarz; bei erſterem bleibt der Bau und ein Teil der Löffel weiß, bei dieſem wird die Unterſeite gelb und weiß.“ |

Nach Beobachtungen an Schneehaſen, welche ih pflegte, hat Tſhudi den Hergang der Verfärbung nicht rihhtig geſchildert. Auch der Haſe härt nur einmal und zwar im Frühjahre, während er gegen den Herbſt hin ſein Winterkleid dur<h einfache Verfärbung des Sommerfkleides erhält. Wie beim Polarfuchſe und Hermeline währt auh nach der Verfärbung das Wachstum der Haare fort, und es wird deshalb der Pelz mit vorſchreitendem Winter immer dichter, bis im Frühjahre das Abſtoßen der alten Haare durch die neu hervorſproſſenden beginnt. Je nah Gegend und Lage mag die Ausbleihung des Haares früher oder ſpäter eintreten; eine Mauſerung aber, wie T\<hudi meint, findet im Herbſte gewiß nicht ſtatt. Die Verfärbung geſchieht von unten nach oben, derart, daß zuerſt die Läufe und zulet der Nücken weiß werden. Sie begann bei dem von mir beobachteten Tiere am 10. DE tober und war bis zu Ende des Monats ſo weit fortgeſchritten, daß die Läufe bis zu den Knieen oder Beugegelenken, der Na>en und der hintere Teil der Schenkel weiß waren, während die Haare des übrigen Leibes zwar lichter als anfangs erſchienen, aber doh no< nicht eigentlih an der Umfärbung teilgenommen hatten. Das Fell ſah um dieſe Zeit aus, als ob es mit einem dur<ſihtigen, weißen Spißenſchleier überde>t wäre. Jm November nahm das Weiß außerordentli<h raſch und zwar auf der ganzen Oberſeite gleihmäßig zu, das Grau verſ<hwand mehr und mehr, und Weiß trat überall an die Stelle der früheren Färbung. Von einem Ausfallen der Haare war nichts zu bemerken; doch konnte auh mit Beſtimmtheit niht feſtgeſtellt werden, ob die Verfärbung des Haares von der Spiße nah der Wurzel vorſchritt oder umgekehrt von der Wurzel aus nach der Spiße verlief; leßteres ſchien das Wahrſcheinli<ſte zu ſein.

„Der geſchilderte Farbenwec<hſel““/ fährt Tſchudi fort, „wird allgemein als Vorbote der zunächſt eintretenden Witterung angeſehen; ſelbſt der einſihtsvolle Prior Lamont auf dem Großen St. Bernhard teilte dieſen Glauben und ſchrieb am 16. Auguſt 1822: „Wir werden einen ſehr ſtrengen Winter bekommen; denn ſchon jetzt bekleidet ſich der Haſe mit ſeinem Winterfelle.“ Wir glauben aber vielmehr, daß der Farbenwechſel nur Folge des bereits eingetretenen Wetters iſt, und das gute Tier kommt mit ſeiner angeblichen Prophetenkunſt ſelbſt oſt ſ{<limm weg, wenn ſeine Winterbehaarung ſich bereits gelichtet hat und abermals Froſt und Schnee eintritt.“ Auch dieſer Meinung Tſ\<hudis widerſprechen andere Beobachtungen. Der ruſſiſche Schneehaſe legt ſein Winterkleid oft vor dem erſten Schneefalle an und leuchtet dann, um mih des Ausdru>es meines Gewährsmannes zu bedienen, „wie ein Stern aus dem dunkelgrünen Buſche und dem braungelben Graſe hervor“. „Der Shneehaſe“, berichtet Tſ<hudi weiter, „iſt in allen Alpenkantonen ſicher in der Höhe zu treffen, und in der