Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3, S. 277
Hausſ<afe: Geiſtiges Weſen. 243
verging. Wir befanden uns nur in geringer Entfernung von Stall und Wohnung und verſuchten die Behauſung zu erreihen. Der Wind hatte indeſſen die Schafe in Bewegung geſeßt und trieb ſie immer mehr von der Wohnung ab. Wir wollten nun die Geißböcke denen die Herde zu folgen gewohnt iſt, zum Wenden bringen; aber ſo mutig die Tiere bei anderen Ereigniſſen ſind, ſo ſehr fürchten ſie die kalten Stürme. Wir rannten auf und ab, ſ<lugen und trieben zurü> und ſtemmten uns gegen Sturm und Herde; aber die Schafe drängten und drü>ten aufeinander, und der Knäuel wälzte ſih unaufhaltſam während der ganzen Nacht weiter und weiter fort. Als der Morgen kam, ſahen wir nichts als rund um uns her lauter Schnee und finſtere Sturmwüſte. Am Tage blies der Sturm niht minder wütend, und die Herde ging faſt noh raſcher vorwärts als in der Naht, während welcher ſie von der dichten Finſternis no< mitunter gehemmt ward. Wir überließen uns unſerem Schickſale; es ging im Geſchwindſchritte fort, wir ſelber voran, das Schafgetrappel blökend und ſchreiend, die Ochſen mit dem Vorratswagen im Trabe, und die Notte unſerer Hunde heulend hinterdrein. Die Ziegen verſhwanden uns no< an dieſem Tage; überall war unſer Weg mit den tot zurü>bleibenden Tieren beſtreut. Gegen Abend ging es etwas gemacher; denn die Schafe wurden vom Hunger und Laufen matter. Allein leider ſanken auch uns zugleich die Kräfte. Zwei von uns erklärten ſih krank und verkrochen ſich im Wagen unter die Pelze Es wurde Nacht, und wir entde>ten immer noch nirgends ein rettendes Gehöfte oder Dorf. Zn dieſer Naht erging es uns noch ſchlimmer als in der vorigen, und da wir wußten, daß der Sturm uns gerade auf die ſchroffe Küſte des Meeres zutrieb, ſo erwarteten wir alle Augenbli>e, mitſamt unſerem dummen Viehe ins Meer hinabzuſtürzen. Es erkrankte noh einer von unſeren Leuten. Als es Tag wurde, ſahen wir einige Häuſer uns zur Seite aus dem Schneenebel hervorbli>en. Allein obgleich ſie uns ganz nahe, höchſtens 30 Schritt vom äußerſten Flügel unſerer Herde entfernt waren, ſo kehrten ſich doh unſere dummen Tiere an gar nichts und hielten immer den ihnen vom Winde vorgezeichneten Strich. Mit den Schafen ringend, verloren wir endlih ſelber die Gelegenheit, zu den Häuſern zu gelangen, jo vollſtändig waren wir in der Gewalt des wütenden Sturmes. Wir ſahen die Häuſer verſhwinden und wären, ſo nahe der Rettung, doh noc verloren geweſen, wenn niht das Geheul unſerer Hunde die Leute aufmerkſam gemacht hätte. Es waren deutſche Anſiedler, und der, welcher unſere Not entde>te, {lug ſogleich bei ſeinen Nachbarn und Knechten Lärm. Dieſe warfen ſi< nun, 15 Mann an der Zahl, mit friſcher Gewalt unſeren Schafen entgegen und zogen und ſ{<leppten ſie, uns und unſere Kranken allmählich in ihre Häuſer und Höfe. Unterwegs waren uns alle unſere Ziegen und 500 Schafe verloren gegangen. Aber in dem Gehöfte gingen uns auh noch viele zu Grunde; denn ſowie die Tiere den Schuß gewahrten, welchen ihnen die Häuſer und Strohhaufen gewährten, krochen ſie mit wahnſinniger Wut zuſammen, drängten, drückten und klebten ſich in erſtikenden Haufen aneinander, als wenn der Sturmteufel noch hinter ihnen ſäße. Wir ſelber dankten Gott und den guten Deutſchen für unſere Rettung; denn kaum eine Viertelſtunde hinter dem gaſtfreundlichen Hauſe ging es 20 Klaſter tief zum Meere hinab.“
Ganz ähnlih benehmen ſi< bei uns zu Lande die Schafe während heftiger Gewitter, bei Hochwaſſer oder bei Feuersbrünſten. Beim Gewitter drängen ſie ſih diht zuſammen und ſind nicht von der Stelle zu bringen. „Shhlägt der Bliß in den Klumpen“, ſagt Lenz, „ſo werden glei viele getötet; fommt Feuer im Stalle aus, ſo laufen die Schafe niht hinaus oder rennen wohl gar ins Feuer. Jch habe eimnal einen großen, abgebrannten Stall voll von gebratenen Schafen geſehen; man hatte troß aller Mühe nur wenige mit Gewalt retten können. Vor einigen Jahren erſti>te faſt. eine ganze Herde, weil zwei Jagdhunde in den Stall ſprangen und ſie in ſolche Angſt ſeßten, daß ſie ſich übermäßig zuſammendrängten. Eine andere Herde wurde dur< den Hund eines Vorübergehenden ſo auseinander gejagt
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