Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3, S. 278
244 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.
und zerſtreut, daß viele im Walde verloren gingen.“ Das beſte Mittel, Schafe aus ihrem brennenden Stalle zu retten, bleibt immer, ſie dur< die ihnen bekannten Schäferhunde herausjagen zu laſſen. :
Dieſe Geſchichten kennzeichnen vieles im Weſen des Schafes. Jn gewiſſem Grade freili bekundet au<h das Schaf geiſtige Befähigung. Es lernt ſeinen Pfleger fennen, folgt ſeinem Rufe und zeigt ſich einigermaßen gehorſam gegen ihn, ſcheint Sinn für Muſik zu haben, hört mindeſtens aufmerkſam dem Gedudel des Hirten zu, empfindet und merkt au< Veränderungen der Witterung vorher.
Das Schaf liebt tro>ene und ho< gelegene Gegenden mehr als niedere und feuchte. Nach Linnés Angaben frißt es von den gewöhnlichen mitteleuropäiſchen Pflanzen 327 Arten, während es 141 verſ<mäht. Hahnenfuß, Wolfsmilch, Zeitloſe, Schachtelhalme, Fettkraut und Binſen ſind ihm Gift. Am beſten gedeiht es, wenn es verſchiedenerlei getroœnete Pflanzen haben kann; Getreidefütterung macht es zu fett und ſchadet der Wolle. Salz liebt es ſehr, und friſches Trinkwaſſer iſt ihm ein unentbehrliches Bedürfnis.
Der Fortpflanzungstrieb regt ſih zuerſt im März und währt von dieſer Zeit an den ganzen Sommer hindur<h fort. Die alten Römer ließen ihre Schafe zwiſchen Mai und Funi zur Paarung; die Landwirte in kälteren Gegenden ziehen die Zeit von September bis Oktober vor. Dann werden die Lämmer, weil das Schaf 144—150 Tage trächtig geht, in der zweiten Hälfte des Februars geworfen und bekommen bald gutes und friſches Futter. Gewöhnli bringt das Mutterſchaf nur ein einziges Lamm zur Welt; zwei Junge ſind ſchon ziemlich, drei ſehr ſelten. Anfangs müſſen die kleinen Tiere ſorgfältig gegen Witterungseinflüſſe gehütet werden, ſpäter dürfen ſie mit auf die Weide gehen. Jm erſten Monate ihres Lebens brechen die Milchzähne durch, im ſe<ſten Monate ſtellt ſi< der erſte bleibende Ba>enzahn ein, im zweiten Lebensjahre fallen die beiden Milchſ<hneidezähne aus und werden dur bleibende erſeßt; gegen Ende dieſes Jahres erſcheint der dritte bleibende Ba>kenzahn, und zugleich fallen ſämtliche Milchba>enzähne nah und nah aus, an deren Stelle nun die Er: ſaßzähne treten; erſt im fünften Fahre aber werden die vorderen Milchba>enzähne gewechſelt und damit die Zahnungen beendet. Eigentlih müßte man das Tier erſt, nachdem alle Zahnungen vorüber ſind, als erwachſen erklären; allein das Schaf iſt ſhon mit einem Fahre, der Widder mit dem achtzehnten Monate paarungs- und zeugungsfähig. Alle Raſſen unter ſi pflanzen ſih ohne Schwierigkeit fort, und eben deshalb kann man das Schaf mit Leichtigkeit veredeln.
Bei uns zu Lande hat das geachtete Haustier wenige Feinde; ſhon im Norden und Süden Europas aber ſchleiht der Wolf häufig genug hinter den Herden her; in Aſien, Afrika und Amerika ſtellen die großen Kaben und größeren Wildhunde, in Auſtralien Dingo und Beutelwolf den wehrlofen Geſchöpfen nah. Auch Braun, der Bär, holt ſih hier und da ein Stü. Adler und Geieradler werden den Lämmern gefährlih. Dafür bleiben die am ärgſten von Feinden heimgeſuchten Schafe am meiſten von Krankheiten verſchont, und der Schade gleicht ſih ſomit wieder aus. Die häufigſte aller Krankheiten iſt das Drehen, welches ſih hauptſächlich bei jungen Schafen zeigt; es rührt von Bandwurmblaſen (Taenia coenurus) im Gehirne her. Andere Eingeweidewürmer, die ſogenannten Leberegel (Distomum hepaticum), verurſachen die Leberfäule, einige Fadenwürmer die Lungenfäule. Dazu kommen nun noch der Blutſchlag oder die Blutſeuche, die Klauenſeuche, die Traberkrankheit, die Pocken, die Trommelſucht und andere oft ſehr verderblih werdende Krankheiten.
Noch vor wenigen Jahrzehnten wax der Nußen des Schafes ungleich größer als gegenwärtig. Jn einem vollſtändig angebauten Lande wird zur Zeit kein großer Gewinn mehr mit dem Halten der Schafe erzielt, zumal ſeitdem Auſtralien, Neuſeeland, das Kapland 2c. die Schafzucht im großen betreiben; man darf ſagen: das Schaf weicht der Kultur. Fm