Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

80 Siebente Ordnung: Suchvögel; erſte Familie: Negenpfeifer.

überall zu den vorſichtigſten Vögeln. Er läßt gern andere, größere Strandvögel für ſeine Sicherheit wachen, übernimmt aber, wenn ex ſich unter den kleineren Strandläufern umhertreibt, auch ſeinerſeits das Amt des Warners oder Wächters und weiß ſih ſehr bald Veachtung, ja einen gewiſſen Gehorſam zu verſchaffen. Verfolgung macht ihn überaus ſcheu.

Solange er in Thätigkeit iſt, geht er ſeiner Nahrung nach. Dieſe beſteht aus allerlei kleinem Meergetiere, vorzugsweiſe alſo aus Würmern und zarten Muſcheltieren, die er aus dem Sande bohrt oder dur< Umdrehen der Steine erbeutet: daher ſein Name. Kerbtiere, die ſich über der Flutgrenze aufhalten, werden von ihm ſelbſtverſtändlih au<h mitgenommen; ſein eigentliches Nährgebiet aber iſt der Küſtenſtreifen, der von der Ebbe tro>en gelegt wird und alſo nur ausnahmsweiſe Kerfe beherbergt.

Zur Niſtſtelle wählt er ſih am liebſten kleine, flahe Sandinſeln oder kieſige Stellen am Geſtade. Aus den Beobachtungen Schillings ſcheint hervorzugehen, daß er ſolche Znſeln, die mit kurzem Heidekraute und einzelnen verkrüppelten Wacholderbüſchen beſtanden ſind, anderen vorzieht; Holland beobachtete, daß er Pläße erwählt, auf welchen höhere Gras- oder Vinſenbüſchel ſtehen, unter welchen dann das Neſt angelegt wird. Während der Brutzeit ſcheint er ſih hier und da tiefer in das Junere des Landes zu begeben, jo z. B. auf Jsland. Das Neſt iſt eine mit wenigen Hälmchen dürftig ausgelegte Vertiefung. Die 4 Eier ſind etwa 40 mm lang, 30 mm di>, glattſchalig und auf graubraunem, gelbli<h oliven- oder ſeegrünem Grunde mit dunkelbraunen, ölgrauen und {hwärzlich olivenfarbigen Fle>en und Punkten, au<h wohl mit Schnörkeln gezeichnet, am dien Ende dichter als an der Spiße. Beide Eltern legen ihre warme Liebe für die Brut durch Schreien, ängſtliches Umherfliegen und lebhafte Gebärden an den Tag. Die Jungen betragen ſih na<h Art der Regenpfeifer. .

Gefangene Steinwälzer gelangen nict oft in unſere Käfige, dauern jedo<h, mindeſtens bei magerem Futter, einige Jahre aus und werden ſehr zahm.

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Wer irgend eine Küſte der Nordſee beſucht, wird gewiß die Bekanntſchaft eines Strandvogels machen, der hier faſt allerorten häufig vorkommt und ſih dur< ſein Betragen jo auszeihnet, daß man ihn niht überſehen fann. Die Küſtenbewohner ſind mit ihm ebenſo vertraut geworden, wie wir mit einem unſerer Raben oder mit dem Sperlinge: darauf hin deutet ſchon ſein Namenreichtum. Der Auſternfiſ<her, Auſternſammler, Auſtern\freſſer, Auſternegel und Auſterndieb, die Meer-, See-, Strand- oder Waſſerelſter, Heiſter- oder Elſterſhnepfe, Seeſhnepfe 2c. (Haematopus ostrilegus, ostralegus, hypoleucus, balticus, orientalis und longirostris, Scolopax pica, Ostralega pica und europaea, Ostralegus vulgaris), fällt auf dur< ſeine Geſtalt und hat außer ſeinen Gattungsangehörigen feine ihm wirklih nahe ſtehenden Verwandten. Jhn fennzeihnen gedrungener Leib und großer Kopf, der einen langen, geraden, ſehr zuſammengedrü>ten, vorn feilförmigen, harten Schnabel trägt, der mittelhohe, fräftige Fuß, deſſen 3 Zehen ſi<h ebenſowohl dur< ihre Kürze wie ihre Breite und eine große Spannhaut zwiſchen der äußeren und mittleren auszeihnen, die mittellangen, aber ſpißigen Flügel, in welchen die erſte Shwungfeder die längſte iſt, und der aus 12 Federn gebildete ziemlich kurze, gerade abgeſchnittene Shwanz. Jm inneren Baue macht ſi<h bemerklih: die bedeutende Entwi>kelung derjenigen Muskeln, welche die Kiefer bewegen, und mehrere hiervon teilweiſe abhängige Verhältniſſe des Kopfgerüſtes ſowie auch gewiſſe Eigentümlichkeiten des übrigen Gerippes und der Weichteile. Die Wirbelſäule beſteht aus 13 Hals-, 9 Rüken- und 9 Shwanzwirbeln. Das Gabelbein iſt weniger als bei anderen Strandvögeln gekrümmt; die 4 Hauptbuchten des Bruſtbeines ſind ſehr entwi>elt, die 9 Rippenpaare