Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Au ſternfiſcher: Stimme. Weſen. Nahrung. Fortpflanzung. 83

aus. Sie kennen den Hirten, den Fiſcher, wiſſen, daß dieſe beiden ihnen ſelten oder niemals beſhwerli<h fallen und laſſen ſie deshalb ohne Bedenken nahe herankommen; aber ſie betrachten jeden anderen Menſchen mit mißtrauiſhen Bliden und geſtatten dem Fäger wohl einmal, niht aber fernerhin, ihnen ſo nahe auf den Leib zu rü>en, daß er einen exfolgreihen Schuß abgeben kann.

Welcher Handlung der Auſternfiſcher ſeinen gewöhnlichen Namen verdankt, iſt ſ{hwer zu ſagen, denn er fiſcht gewiß niemals Auſtern. Allerdings nimmt er gern kleinere Weichtiere auf, frißt auh wohl eine größere Muſchel aus, die tot an den Strand gewaſchen wurde, iſt aber niht im ſtande, eine lebende zu öffnen. Seine Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Gewürm, und wahrſcheinlich bildet der Uferwurm den größten Teil ſeiner Speiſe. Daß er dabei einen kleinen Krebs, ein Fiſhchen und ein anderes Seetier nicht verſ<hmäht, bedarf der Erwähnung nicht, ebenſowenig, daß er in der Nähe des an der Küſte weidenden Viehes Kerbtiere erjagt. Muſcheln und Steinchen wendet er vielleiht no< häufiger um als der Steinwälzer.

Diejenigen Auſternfiſcher, welhe als Standvögel betrachtet werden können, beginnen um Mitte April, die, welche wandern, etwas ſpäter mit dem Neſtbaue. Die Vereine löſen ſi, und die Pärchen verteilen ſi< auf dem Brutplaße. Febt vernimmt man hier das Getriller der Männchen fortwährend, kann auh Zeuge ernſter Kämpfe zweier Nebenbuhler um ein Weibchen werden. Dagegen leben die Auſternfiſher au<h auf dem Brutplaße mit allen harmloſen Vögeln, die dieſen mit ihnen teilen, im tiefſten Frieden. Kurze, graſige Flächen in der Nähe der See ſcheinen ihre liebſten Niſtpläße zu ſein; wo dieſe fehlen, legen ſie das Neſt zwiſchen den von Hochfluten ausgeworfenen Tangen am Strande an. Das Neſt iſt eine ſeichte, ſelbſtgekraßte Vertiefung; das Gelege beſteht aus 3, oft au< nur aus 2 ſehr großen, bis 60 mm langen, 40 mm dien, ſpibigen oder rein eiförmigen, feſiſchaligen, glanzloſen, auf ſ{hwa< bräunlihroſtgelbem Grunde mit hellvioletten oder dunkel graubraunen und grauſhwarzen Kle>ſen und Punkten, Strichen, Schnörkeln 2c. gezeihneten Eiern, die übrigens vielfah abändern. Das Weibchen brütet ſehr eifrig, in den Mittagsſtunden aber nie, weshalb es au<h von dem Männchen nicht abgelöſt wird; doh übernimmt dieſes die Sorge für die Nachkommenſchaft, wenn die Mutter durch irgend einen Zufall zu Grunde geht. Nach etwa dreiwöchiger Bebrütung entſhlüpfen die Fungen und werden nun von den Alten weggeführt. Vei Gefahr verbergen ſie ſi<h gewöhnlich, wiſſen ſih aber au<h im Waſſer zu bewegen; denn ſie hwimmen und tauchen vortrefflich, önnen ſogar auf dem Grunde und unter Waſſer ein Stü weglaufen. Beide Alten ſind, wenn ſie Junge führen, vorſichtiger und kühner als je.

Am leichteſten kann man die Auſternfiſcher berü>en, wenn man zur Zeit ihres Mittags3\<läf<hens auf ſie ausgeht; ihre Sinne ſind aber ſo fein, daß man ihnen auch dann vorſichtig nahen muß, weil ſie die Tritte eines gehenden Menſchen hören oder doch verſpüren. Erſchwert wird die Jagd noh ganz beſonders dadurch, daß ſie einen ſehr ſtarken Schuß vertragen. Übrigens jagt wohl nur der Naturforſcher oder der Sonntagsſchüße ernſthaft auf Auſternfiſcher, weil das Wildbret von der Nahrung einen ſo widerwärtigen Geſhma> annimmt, daß es gänzlih ungenießbar wird. Dagegen gelten ihre Eier mit Recht als höchſt ſ<machafte Speiſe. Liebhaber fangen ſih einen oder den anderen, um den anziehenden Geſellen in der Gefangenſchaft beobachten zu können. Laufſchlingen / die dort, wo ſich viele dieſer Vögel umhertreiben, geſtellt werden, führen regelmäßig zum Ziele, und die Eingewöhnung der gefangenen verurſacht keine Mühe. Wenn man ihnen anfänglich einige Krabben, zerkleinertes Fiſhfleiſh, zerha>te Muſcheln und dergleichen vorwirft, ann man ſie. bald ans einfachſte Stubenfutter, aufgeweihtes Milchbrot nämlich, gewöhnen. Die Alten verlieren bald ihre Scheu vor dem Menſchen, d. h. ſobald ſie zu der

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