Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, S. 295

Barbe. Gründling. QT

Seine Nahrung beſteht aus Fiſchbrut, Würmern, faulendem Fleiſhe und Pflanzenſtoffen. Wegen ſeiner großen Vorliebe für Aas ſagt man, daß er ein Totengräber ſei. Als man nach der Belagerung von Wien 1683 die erſchlagenen Türken nebſt den getöteten Pferden, um ſie los zu werden, in die Donau warf, fand man ſpäter, wie Marſigli erzählt, ſehr viele Gründlinge in der Nähe des Aaſes oder in deſſen Leibeshöhlen und bemerkte dabei, daß ſie menſ<hlihe Leichen dem Aaſe der Roſſe entſchieden vorzogen.

Im Frühlinge ſteigt der Gründling maſſenweiſe aus den Seen in die Flüſſe empor, um hier ſeinen Lai abzuſezen. Während der Fortpflanzungszeit dunkelt ſeine Färbung, und gleichzeitig entwidelt ſih beim Männchen ein feinkörniger Ausſchlag auf dem Scheitel, auf den Schuppen des Rü>ens und der Seiten und auf den Bruſtfloſſenſtrahlen, außerdem eine eigentümliche Hautwucherung. Das Laichen erfolgt vom Mai an in Abſäßen und währt etwa 4 Wothen. „Als ih“, erzählt Rusconi, „in Deſio war, ging ich an einem der ſchönſten Tage des Juli frühmorgens an dem Ufer des kleinen Sees der Villa Traverſi ſpazieren. Plößlich traf mein Ohr ein Geräuſch. J<h glaubte zuerſt, daß jemand mit Stöcken oder mit der breiten Fläche eines Ruders auf das Waſſer ſhlüge, ließ meine Augen über die Ufer ſtreifen und entde>te bald den Ort, woher der Lärm kam, und zugleich deſſen Urſache: es waren laichende Fiſche. Begierig, das Schauſpiel in der Nähe zu genießen, näherte ih mich ihnen vorſichtig, und unter dem Schutze der Geſträuche und Büſche, welche die Ufer des Sees zieren, fam ic ſo nahe, daß ih ſie bequem und ohne von ihnen geſehen zu werden beobachten tonnte. Sie befanden ſi< in der Mündung eines Bächleins, das kühles und klares Waſſer führte, aber in ſo geringer Menge, daß die kleinen Kieſel in ſeinem Bette faſt tro>en lagen. Es waren Gründlinge. Sie näherten ſih der Mündung des Baches; dann, indem ſie plößlich raſh ſ{<wammen und dadurch ihrem Körper einen heftigen Stoß gaben, ſchoſſen ſie etwa 1 m in den Bach hinauf, ohne zu ſpringen, gewiſſermaßen über den Kies hingleitend. Nach dieſem erſten Anlaufe hielten ſie an, beugten Rumpf und Schwanz abwechſelnd nah re<ts und links und rieben ſi< ſo mit der Bauchfläche auf dem Kieſe. Dabei lag, mit Ausnahme des Bauches und des unteren Teiles des Kopfes, ihr ganzer Körper im Tro>knen. Jn dieſer Lage blieben ſie 7—8 Sekunden; dann ſhlugen ſie heftig mit dem Shwanze auf den Boden des Baches, daß das Waſſer nach allen Seiten heraus\prißte, wandten ſich und glitten wieder in den nahen See hinab, um bald darauf dasſelbe Spiel zu wiederholen. Ein Naturforſcher hat behauptet, daß die Fiſche, wenn ſie laichen, ſih auf die Seite legen, ſo daß der Bauch unmittelbar oder wenigſtens nahe an dem Bauche des Weibchens ruhe. Jh will dieſe Thatſache niht beſtreiten, aber ſo viel kann ih verſichern, daß die Fiſche, die ih hier beobachtete, niemals eine ſolche Bewegung ausführten. Männchen und Weibchen ſtiegen auf die angegebene Weiſe in dem Bache aufwärts; jene ließen den Samen, dieſe die Eier von ſich.“

Die kleinen Eierchen ſehen blau aus und werden, da ſie den belebenden Sonnenſtrahlen ausgeſesßt ſind, bald gezeitigt. Brut von 2 cm Länge gewahrt man Anfang Auguſt oft in unglaublih dichten Schwärmen. Nach vollendeter Brutzeit kehrt der Gründling wieder in tiefere und zwar auch in ſtehende Gewäſſer, alſo auch in ſeine Wohnſeen zurück.

In Nordoſtdeutſchland wird unſer Fiſch im Spätjahre regelmäßig in bedeutender Menge gefangen. Während des Sommers betreibt man den Fang vorzugsweiſe mit der Angel, weil der Gründling zu den Fiſchen gehört, die au< das Vorhaben des ungeſchi>ten Anglers lohnen. Die Engländer pflegen vor dem Fange mit der Angel den Grund mit einer eiſernen Hacke aufzukraßen, weil der Greßling beim Vorüberſ<hwimmen an derartigen Stellen zu verweilen pflegt, um nach kleinem Getier zu ſuchen. Bei einiger Geſchilichkeit hält es niht ſ<hwer, binnen kurzer Zeit mehrere Dußend dieſer niedlichen Fiſchchen zu erbeuten. Pechuel-Loeſche hat während ſeiner Knabenzeit die Gründlinge entweder

nachts bei dem Lichte der Kienfa>el geſpeert oder am Tage mit Bogen und Pfeil erlegt. Jm Brehm, Tierleben. 3. Auſlage. VIII, 17