Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

52 Erſte Ordnung: Stachelfloſſer; dritte Familie: Seebarben.

Schlamme, halten ſi< dabei in wagerehter Lage, wühlen ſi oft tief ein und trüben das Waſſer flacher Stellen auf weithin. Viele Raubfiſche gefährden die dur<\<hnittlih kleinen Tiere und ziehen deren Shwärmen wochenlang nah; au< der Menſch verfolgt ſie allenthalben und erbeutet ſie maſſenhaft in engmaſchigen Neßen. Jhr Fleiſh wird ſehr geſhäßt und höchſtens kurz nah der Laichzeit geringer geachtet.

Bei den alten Nömern ſtanden die Seebarben niht allein ihres köſtlichen Fleiſches, ſondern auch ihrer prachtvollen Färbung halber im höchſten Anſehen. „Das Fleiſch dieſer Thiere“, ſagt Gesner, die alten Berichte wiedergebend „wird in groſſem Werth gehalten, alſo daß ſie vor zeiten mit gutem reinen Silber an dem Gewicht ſind bezahlt worden: dann niht allein von wegen ſeines fleiſhes werden ſie hoh gehalten, ſondern die Augen damit zu beluſtigen, in dem daß man ſolche lebendig in durchſcheinende gläſine Geſchirr gethan hat, wol verſchloſſen, umb ſeinen lieblihen Todt, wunderbaxlih Abſterben und Veränderung der ſchönen farben ſeiner Schüppen von einer in die ander zu ſehen, ſo lang biß er gang abgeſtorben.“ Zur Augenweide der eingeladenen Gäſte brahte man in großen Gefäßen Seebarben in das Speiſezimmer und übergab ſie dann den Frauen, die ſie in ihren Händen ſterben ließen, um ſih an dem erwähnten Farbenſpiele zu ergößen. Zuerſt beobachtete man ihre Bewegungen in den Gefäßen unter lauten Ausrufen der Bewunderung des Schauſpieles; ſpäter machte man ſich wechſelſeitig auf das lebhafte Feuer der Schuppen, auf den Glanz der Kiemen aufmerkſam. Nach erfolgtem Tode der Fiſche eilte man ſo ſ<nell wie mögli<h in die Küche, um ſie bereiten zu laſſen; denn eine Seebarbe, die am Morgen gefangen und abgeſtorben war, galt nicht für friſch: ſie mußte lebend den Gäſten vorgeſtellt worden ſein. „Nichts Schöneres“ ruft Seneca aus, „als eine ſterbende Seebarbe! Sie wehrt ſi< gegen den nahenden Tod, und dieſe Anſtrengungen verbreiten über ihren Leib das glänzendſte Purpurrot, das ſpäter in eine allgemeine Bläſſe übergeht, während des Sterbens die wunderherrlihſten Schattierungen durhlaufend.“ Der Seebarben halber legte man unter den Polſtern, auf denen die Tiſchgäſte bei der Mahlzeit lagerten, eigne Fiſhbehälter an und verband dieſe mit den Teichen außerhalb der Wohnhäuſer, wo man die Vorräte auſſpeicherte. Große Seebarben wurden oft von ſehr weit her aus dem Meere gebra<t und dann zunächſt in jenen Fiſchteihen aufbewahrt, obgleih ſie die Gefangenſchaft niht gut aushielten und von mehreren Tauſenden bloß wenige am Leben blieben. Cicero ſchilt die Römer, daß ſie ſol<h kindiſches Spiel treiben, und ſagt, die Reichen glaubten im Himmel zu ſein, wenn ſie in ihren Fiſchteithen Seebarben beſäßen, die nah der Hand ihres Herrn {wömmen. Der Preis erreichte infolge dieſer Liebhaberei eine unglaubliche Höhe. Eine Seebarbe von 1 kg Gewicht koſtete ſehr viel Geld; eine ſolhe von 1,5 kg zog allgemeine Bewunderung auf ſih; eine von mehr als 2 kg war faſt unbezahlbar. Über den Preis liegen genaue Angaben vor. So erzählt Seneca, daß Tiberius eine ihm geſchenkte Seebarbe von leßterem Gewichte aus Geiz auf den Markt geſandt habe, im voraus die Käufer beſtimmend. Jn der That überboten ſih denn auth die von ihm genannten Schle>er Apicius und Dectavius, und leßterer erwarb ſih den außerordentlihen Ruhm, einen Fiſch, den der Kaiſer verkaufte und Apicius nicht bezahlen tonnte, für 5000 Seſterze erſtanden zu haben. Fuvenal ſpriht übrigens von einer Seebarbe, die um 6000 Seſterze gekauft wurde, freilih auh faſt 3 ke wog. Unter der Regierung des Caligula kaufte Aſinus Celer, laut Plinius, einen dieſer Fiſhe um 8000 Seſterze; ja der Preis ſtieg no< mehr, ſo daß Tiberius ſi endlih veranlaßt ſah, den Preis der Lebensmittel auf den Märkten durch beſondere Geſeße zu regeln. Nach dem Urteile der Römer galt die Seebarbe als der beſte aller Fiſche und Kopf und Leber als der feinſte aller Le>erbiſſen. Aber dieſe Anſchauung verlor ſih ſpäter gänzlich.