Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Verzweigtdärmige Strudelwürmer. — Planarie. Vielauge. 911

die Haut einen bedeutenden Grad von Feſtigkeit erlangt. Sie liegen urſprünglich in Zellen und Zellausläufern und rüden erſt nah und nah an die Oberfläche der Haut. Fhre Bedeutung iſt noh niht ganz klar. Lehnert bemerkt über dieſelben von Bipalium kewense, einer Landplanarie: „Die Hautſtäbchen ſind von zweierlei Art, die einen, die Hautſtüßen, furz, did, feulenförmig, die anderen, die Hautnadeln, lang, dünn, fadenförmig. Die Hautſtüßen werden ohne Verlegung der Haut niemals, die Hautnadeln dagegen bei jeder Reizung ausgeſchoſſen.“ Andere Forſcher, wie Schneider und Graff, möchten in dieſen Gebilden überhaupt weniger Waffen als andere Apparate ſehen. Schneider hält ſie eher für Reizorgane und vergleicht ſie mit den Liebespfeilen der Shne>en, Graff hält ſie zwar für einen niederen Zuſtand von Neſſelorganen, wie ſie bei Quallen und Polypen ſo weit verbreitet ſind, betont aber, daß ſie nux bei wenigen Arten als Fäden vorkämen und wohl au< nur ſelten als Waffen fungieren dürften, ſondern meiſt als Endorgane ſenſibler Nerven.

Von den în unſeren ſüßen Gewäſſern vorkommenden Dendrocoelen können wir alle mit zwei Augen auf dem vorderen Ende verſehenen zur Gattung Planaria ziehen. Eine der größten, über 2 cm lang werdende iſt die mil<hweiße Planarie (P. lactea), welche, wie faſt alle übrigen, unter Steinen, zwiſchen den Schilfblättern und an der Unterſeite der Seeroſenblätter ſi<h aufhält. Sie eignet ſih beſonders, um ſi an ihr, ohne ſie zu verleßen, den verzweigten Darm zur Anſchauung zu bringen. Er ſ{himmert {hon bei auffallendem Lichte hwärzlih dur<h und wird Üarer, wenn man das Tier in einem Glaſe bei dur<ſcheinendem Lichte mit der Lupe muſtert. Auch darin {ließt ſie ſich ihren Schweſtern an, daß ſie die Eier in einem rundlichen Kokon von der Größe eines ' ſtarken Ste>nadetkopfes neben ſi< an den Steinen und Pflanzen befeſtigt. b

Man hielt früher alle braunen, im mittleren und ſüdlihen Deutſch: land beobachteten Planarien für eine Art, Planaria torva. F< habe gezeigt, daß mindeſtens vier verſchiedene Arten bei uns vorkommen, kenntlih an der äußeren Form und namentli<h an konſtanten anatomiſchen Verſchiedenheiten. JFhr Verhalten im Freien und in der Gefangenſchaft iſt ſehr unintereſſant. Sobald man ſie in das Aquarium geſeßt hat, ſind ſie einige Zeit unruhig und ſ{hwimmen hin und her, dann ſuchen ſie die dunkelſten Verſte>e auf und verhalten ſih möglichſt ſtill und bewegungslos.

*

Dies gilt au von unſerer zweiten einheimiſhen Gattung, dem Vielauge (Polycelis). Die Éleinere, bis 1 cm lange Polycelis laevigata (ſ. nebenſtehende Abbildung) iſt in der Ebene und in ſtehenden Gewäſſern p,ycelis 1aevicata. jehr gemein und teilt mit der anderen Art die Vieläugigkeit. Der ganze a) Das ganze Tier, Rand des Vorderendes iſt mit einer Reihe von 30—50 Augen beſet. Am E LN häufigſten iſt die vorn breite und abgerundete P. nigra, ganz ſ{<hwarz, daneben kommt eine bräunliche Abart vor. Die andere Art, das gehörnte Vielauge (P. cornuta), bhâlt fih vorzugsweiſe in den ſchnell fließenden, fühlen und ſchattigen Gebirgswäſſern auf und iſt z. B. in den Bächen der ſteiriſchen Berge und Gebirge millionenweiſe vorhanden. Auch auf dem Thüringer Walde wurde ſie gefunden. Sie iſt eine der zierlihſten und [hlankeſten unter ihresgleihen, ausgezeihnet dur zwei fühlerartige Kopflappen, welche ihr große Ahnlichkeit mit gewiſſen Na>ktſchne>en verleihen. Einmal, als ih zahlreiche Exemplare dieſer Art des Abends in einem Glaſe nah Hauſe geholt hatte, war am anderen Morgen das

14*