Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Id Würmer. Sechſte Klaſſe: Plattwürmer; dritte Ordnung: Strudelwürmer.

Tage ſcheinen ſie zu ruhen, nachts umherzuſhweifen. Fr. Müller wollte ſih vergewiſſern, ob die Landplanarien wie ihre Verwandten im Waſſer auf der Körperoberfläche Flimmerhaare tragen. „Jn Ermangelung eines Mikroſkops“, ſchrieb er, „beſtreute ih, eines Experi-

mentes in J. Müllers phyſiologiſchen Vorleſungen mich erinnernd, ein re<t großes

Exemplar der Geoplana rufiventris mit ein wenig Arrowrootmehl und ſah nun dieſes auf dem Nücken ſi konſtant vorwärts und dabei bisweilen auf der Bauchſeite etwas nach hinterwärts ſich fortbewegen, wodurch die Exiſtenz der Flimmerhaare außer Zweifel geſtellt ſcheint.“ Ein ganz beſonderes Fntereſſe bot die unterirdiſ<h lebende Geoplana subterranea, indem ſie den Kreis der Lebensbedingungen, unter denen dieſer Tierform zu beſtehen geſtattet iſt, aufs neue erweitert zeigt. Nachdem man Plattwürmer in dem flaren Quellwaſſer der Gebirge, unter den Steinen der Seeküſte, wie an den flutenden Tangen mitten im Weltmeer geſunden, nachdem ſih die Ausſicht auf eine reihe Landplanarienfauna eröffnet hat, die in feuhtem Mooſe, unter Steinen und Rinden ſi birgt und bis in die Wipfel des Urwaldes auſſteigt, wo ſie zwiſchen den ſtachligen Blättern der Bromelien ein ſtets feuchtes Aſyl findet — ſo kommen nun au<h Erdplanarien zum Vorſchein, Genoſſen der Regenwürmer und Engerlinge. Jn bezeihnendem Gegenſaße zu ihren über der Erde lebenden farbigen, augenreichen Gattungsgenoſſen iſt dieſe im Dunkeln hauſende Geoplana ohne Farbenſhmu> und Farbenſinn, mil<weiß und augenlos. Jm Habitus entfernt ſich dieſe Art mehr als irgend eine von der typiſhen Planarienform. Jhr gleihmäßig ſ{hmaler, ſehr langer, an den Enden abgerundeter Körper, der bei einer Länge von 6—8, ſelbſt bis 11 mm faum die Breite von 1!/2 mm erreicht, gibt ihr vollſtändig das Anſehen einer Nemertine. Das Tier lebt beſonders in lo>erem, ſandigem, aber auch in ſ<werem zähen Lehmboden in Geſellſchaft eines Regenwurmes (Lumbricus corethrurus). Es mag befremden, daß ein ſo weiches Tierchen, das kaum leiſe Berührung verträgt, in dieſem Medium exiſtieren und ſich Wege bahnen könne. Dieſe Schwierigkeit löſen die Regenwürmer, die den Boden ſo dur<hwühlen, daß er wie ein Schwamm von glatten Gängen verſchiedener Weite in allen Richtungen durchſeßt iſt. Zum Dank dafür werden die Regenwürmer von dem Plattwurm aufgeſreſſen oder vielmehr ausgeſogen. Dieſe Nahrung war aus der Farbe des Darminhaltes unſhwer zu erſhließen. Jh habe aber au< Geoplanen getroffen, die eben einen jungen Regenwurm mit dem vorgeſtülpten Rüſſel gepa>t hielten, und deren Darm ſi< mit friſhem Blute zu füllen begann.“

Auch in den feuchten Waldungen Ceylons ſind Landplanarien entde>t, unter denen ſi die der Gattung Bipalium angehörigen Arten dur< das Vermögen auszeihnen, an einem aus der ſhleimigen Abſonderung ihrer Körperoberfläche gezogenen Faden ſi<h auf: zuhängen.

Jn neueſter Zeit hat beſonders Georg Lehnert Landplanarien, namentlih Bipalium kewense, unterſuht. Er bezog ſein Material aus verſchiedenen Gewächshäuſern Englands, Berlins und hauptſählih Leipzig-Anger-Crottendorſs. Die Tiere waren angenſcheinli< mit tropiſhen Gewächſen eingeführt wurden, jedoch ließ ſih nicht feſtſtellen, mit welchen, daher unſer Forſcher au< über ihr urſprünglihes Vaterland im Unklaren blieb. Die Bipalien kriechen mit Leichtigkeit über wage- und ſenkrechte, ja ſelbſt über hängende Flächen dahin, und ihre Bewegung vollzieht ſih unter Schlängelungen des ganzen Körpers, Wellenbewegung der Sohle, Flimmerung der Sohlenwimpern und Schleimabſonderung ſeitens der ganzen Oberfläche ihres Leibes. Die Wimpern ſind nit gleihmäßig auf der Sohle verteilt, es finden ſih vielmehr zwei Randzonen mit größeren und ein Mittelraum mit fleineren Wimpern, aber die Tiere können dieſelben niht zum Vorwärtsſchieben benußen, wenn ſie keinen Schleim abſondern können, und dieſer bleibt in Geſtalt eines Fadens als Kriechſpur zurü>. Beim Kriechen wird der Kopf mit dem vorderen Körperabſchnitt

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