Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

zwischen vernünftigsem und natürlichem Menschen. Es besteht zwar auch jetzt eine „Immanenz“, aber nicht im ontologischen Sinn, sondern in dem logischen Sinn der vernunftgemäßen Bestimmung des Natürlichen durch das Vernünftige und seines willigen Gehorsams unter dem Gesetz der Vernunft: „Denne ist der üzer mensche gehorsam sime inneren menschen unz an sinen töt unde ist denne in st&tem friden in deme dienste gotes allezit“ (Pf. 6: 58, 5).

Das Immanenzverhältnis ist nunmehr gerade umgekehrt worden: Nicht das Ungeschaffene ist im Geschaffenen, sondern das Geschaffene im Ungeschaffenen wie das Nichts im Sein. Das Nichts wird ins Sein hereingenommen, damit es seiend werde. In diesem logischen Sinn ist nunmehr die traditionelle Formel zu verstehen: die Seele sei nicht eigentlich im Körper, sondern der Körper sei in der Seele (III 567, 1 ff)’®), welcher Formel Eckhart seine Lehre von den terminis generalibus zu Grunde lest. Das ontologisch unlösbare Problem, wie das Ungeschaffene im Geschaffenen sei, dürfte nunmehr von der logischen Grundlesung der Theologie her bei Eckhart seine Auflösung erfahren haben. Wenn es auc an sich betrachtet im Fünkleinmotiv selbst widersprucsvoll bleibt, so kann es nur aus seiner systematischen Tendenz heraus in der geschehenen Weise geklärt werden.

8. Die „Geschaffenheit’ der Seele.

Wenn man die dargestellten Korrelationsformen und die Wesensbestimmungen des Ich als polarer Einzigkeit zu Gott überschaut, dann ergibt sich, daß die Texte, die von einer Gescaffenheit der Seele sprechen, lediglich als traditionsgebunden zu werten sind, in denen die theologisch-systematische Absicht Edkharts in ihrer historischen Weite gesehen nicht zur Klarheit gediehen ist und aus seiner Zeitgebundenheit nicht hat gedeihen können. Es zeigt sich nämlich — das ist an dem Motiv der factio des Menschen bereits deutlich geworden — daß der Begriff der Geschaffenheit bei ihm durchaus nicht mehr im streng scholastischen Sinn verstanden wird, sondern daß die traditionelle Engheit der Bedeutung gesprengt und die Geschaffenheit der Seele im Sinn einer immanenten Wesensemanation, im Sinn der Geburt umgedeutet wird: „Got geschuof die s@le näch siner hoedhsten vollekomenheit, daz sie solte sin ein geburt sines eingeborenen sones (Pf. 88: 288,6). Dö der vater gebar alle creätüren, dö gebar er mich, und ich flöz üz mit allen creätüren, unde bleipdochinnein dem vater... Also bin ich in

500) cf. S. Th. 1,8, 1 ad 2.

236