Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Gnade unter sich und gelangt in Gott selbst hinein und wirkt in Gott göttlich, wo Gott mit sich selbst als Werkzeug wirkt und das Werk so edel ist wie der Werkmeister, wo der sich Entgießende und das Entgossene eins sind (Par. 110, 1—15). Diese Einswerdung mit Gott — die hier zwar noch Vereinigung genannt wird — ist nur möglich durch die schon naturhaft angelegte Wesensgleichheit, denn Eckhart schickt ausdrücklich der ganzen Darstellung das Axiom vorauf: Keine Kreatur kann höher wirken als ihr Wesen zuläßt (ib. 109, 5). Damit ist die „Geschaffenheit“ der Seele sachlich dem Geburtsbegriff angeglichen.

Ein für den Nachweis von Echarts „Korrektheit“ bezüglich der Seelenlehre viel herangezogener Text ist BgTr. 8,10, wo es von den Seelenkräften heißt, daß sie in der Seele und mit der Seele geschaffen sind. Nun folgert aber Eckhart aus dieser Feststellung: darum müssen sie ihrer selbst entbildet und in Gott transformiert, in Gott und aus Gott geboren werden, daß Gott allein ihr Vater sei, dann sind sie auch Sohn und Gotteseingeborener Sohn! Der Begriff der Entbildung ist identisch mit dem des Sterbens, des Zu-nicht-werdens. Die kreatürliche Seele ist somit ein reines Nichts, das ins Sein hinaufgehoben werden muß, damit es existent werde. Das dürfte hier der Begriff der Transformation besagen: das reine Nichts wird existent durch die Form. Die Geschaffenheit der Seele ist somit in eine grundsätzlich andere Betrachtungsweise gerückt. Die geschaffene Seele steht nicht schon Gott als ein Korrelationspol gegenüber, sondern sie verhält sich zunächst zu ihm wie das nihil zum esse, aus welcher bloßen Korrelationsmöglichkeit sich die Korrelation ens— esse aktualisiert, in welcher das ens ausdrücklich als eingeborener Sohn bezeichnet wird. Deutlicher kann die Geschaffenheit der Seele nicht erledigt werden. Dazu kommen ferner gerade im Trostbuch die grundlegenden Ausführungen über die logischen Korrelationen, die die Geschaffenheit der Seele von einem anderen Ausgangspunkt her prinzipiell beseitigen,

Aus den angeführten Texten dürfte sich ergeben, daß die Geschaffenheit der Seele einerseits durch Motive Bnderen Art belanglos gemacht, andererseits in sich selbst gesprengt wird durch Aufnahme einer neuen Bedeutung, Es soll nicht bestritten werden, daß die Geschaffenheit an manchen Stellen ganz korrekt scholastisch gemeint ist. Nur das kann als sicher gelten, daß für eine systematische Darstellung von Eckharts Theologie die Geschaffenheit der Seele kein konstitutiver Begriff ist, daß z. B. ein Text wie Pf. 52: 115,54, wo selbst das Fünklein als geschaffen bezeichnet wird, nicht ein Beweis für Eckharts „Korrektheit“ ist, sondern

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