Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

9. Die Nähe Gottes.

Durch die Beseitigung der Geschaffenheit der Seele bekommt dies Motiv bei Eckhart eine erhöhte theologisch systematische Bedeutung, da in ihm zugleih die Wesensnähe und die polare Distanz zum Ausdruck kommt. Der Heilige Thomas hatte zwar auch von der Nähe Gottes gesprochen, sie aber in ihrer allgemeinen Bedeutung als Nähe der Sorge Gottes für seine Geschöpfe verstanden”), im engeren Sinn zwar auch als Wesensnähe, aber doch nur als eine solche zwischen Schöpfer und Geschöpf, von deren Verhältnis zueinander er ausdrüclich bei der Erörterung des Imagoproblems sagt, sie seien einander fern, wie es der Vergleich vom Bild des Königs in seinem Sohn und dem auf der Münze nicht deutlicher aussprechen kann“). In der scholastischen Ontologie war dies biblische Motiv”) mit solchen der neuplatonischen Spekulation verknüpft worden und bezeichnete nunmehr in der Hierarchie der Seinsstufen die Grade der Entfernung von dem Urprinzip Gott. Der Engel ist seinem Wesen nach Gott näher als die Seele etc. Aber für Eckhart ist der Engel als ein an sich seiendes Wesen belanglos und er kehrt daher das Näheverhältnis geradezu um: „der oberste engel, swie nähe er gote ist unde swie sippe unde swie vil er gotes in ime habe... . swie edel der engel ist, so ist doh wunder, doch enmac erin die säle niht“ (Pf. 100: 321,39), denn nur Gott in seinem reinen Wesen kann ın die Seele und nur die Seele kann in Gott hinein, weil er über dem Engel ist’).

Den Begriff der Nähe Gottes schränkt Eckhart zunächst aus seinem generell ontologischen auf seinen spezifisch theologischen Sinn ein, da nur die Nähe Gottes zur Seele für ihn ein Problem ist. Sodann aber macht er wie überall, so auch hier den Prinzipiellen Schritt von der ontologischen zur logischen Bestimmung dieses Begriffes dadurch, daß er die Vielfalt möglicher Schnitte zwischen den verschiedenen Seinsstufen, die zu Gott in einem verschiedenen Näheverhältnis stehen. ersetzt durch einen einzigen prinzipiellen Schnitt zwischen logischem Grund und logisch Begründetem, zwischen esse und ens“*) und eben dies ens als das durch das esse total Bestimmte und als solches wesensgleich Fr-

10) Comp. 2,6: quamvis propter specialem curam omnibus hominibus Deus dicatur propinquus esse, specialissime tamen dicitur esse propinquus bonis,

511) S. Th. I, 95, fe und ad 2.

12) cf. 5. Mos. 4,5: Jerem. 23,23: Luk. 21, 31.

518) Pf. 37: 127,28.

51, IV 264, i6fl.; 265,4 ff.: 265, 1931.

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