Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

dem Motiv der Gottesgeburt beim Heiligen Thomas möge die in Ec&hart sich vollziehende geschichtlihe Wendung verdeutlichen.

Thomas von Aquin unterscheidet streng die eigentlihe gen eracio von der adoptio. Jene bezeichnet den innertrinitarischen Prozeß, diese die Art der Bindung des Menschen (als Kreatur!) an Gott. In der generacio ersteht der mit Gott wesensgleiche Sohn in einem spontanen Akt der göttlichen Natur; in der adoptio läßt Gott in seiner unendlichen Güte aus Gnade die Kreatur teilnehmen an seinem Gut. Dieser Akt ist nicht unwillkürlich naturhaft, sondern dem Willen entsprungen. Die Sohnschaft aus Gnade ist der natürlichen Sohnschaft unendlich an Wert unterlegen. Die filiatio aeterna ist die vollkommene Sohnschaft, die filiatio adoptiva ist die unvollkomene, nur eine quaedam similitudo jener. Darum ist das Verhältnis des Vaters zu seinem natürlichen Sohn ein grundsätzlich anderes als das zu dem durch einen Akt des Willens angenommenen. Wir als die Adoptivsöhne sind zwar Brüder Christi — das begründet Thomas mit einem als geschichtliche Selbstironie geradezu klassischen Satz: „quasi eundem patrem habentes cum ipso (S. Th. III, 23,2 ad 2) — aber er als der Erstgeborene ist heres und unendlich erhaben über seine nachgeboreren Brüder, die nur coheredes sind durch Gnade, die dem Erstgeborenen nur verähnlicht werden, nie aber wesensgleih, denn die Gnade der Adoption ist nur secundum quandam unionem affectualem”*), nicht aber essentialem’”).

Eckhart vollzieht hier dieselbe „Vereinseitigung” und Vereindeutigung wie in fast allen wesentlichen theologisch-spekulativen Problemen. Die Adoption aus Gnade tritt völlig zurück und ist systematisch belanglos geworden”) gegenüber der einzig nur mehr für das Verhältnis Gott — Ich geltenden generacio”). Denn das ist das Entscheidende, daß die Erzeugung des Sohnes im Rahmen der speknlativen Trinitätslehre als belanglos gewertet wird gegenüber der Tatsache, daß ebendieselbe Erzeugung für das Ich gelten muß: „Ez sprichet St. Augustinus, daz disiu geburt iemer geschehe und doch in mir niht geschihet, waz hilfet mich

>21) S. Th. II, 50, 2c.

»2) Zum Ganzen S. Th. I, 35,5c u. ad I u. 2. S. Th. IH, 23, 1-4; 32,35e u. ad 2.

5) a gleichwertige Nebenordnung: adoptare vel generare filios (IV, 292).

°=) Darin dürfte sich ähnlich wie bei dem Motiv der Freunde Gottes der dominierende Einfluß der johanneischen Theologie gegenüber der paulinischen bei Eckhart geltend machen. Zum Begriff der Geburt bei Johannes cf. Joh, 1, 12—15; 3, 3-8; I. Joh. 3, 1 ff.: 3,9; 4,75 5,4: 5,18.

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