Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Das bloße Zulassen zur Seligkeit, wie der Heilige Thomas meint, ist ein Akt des Willens, der frei sich entscheidet und der sich auch dagegen entscheiden könnte. Wenn nun demgegenüber betont wird. Gottes Güte zwinge ihn dazu, — und das sei eben ein freier Akt — die Bindung mit dem Ich einzugehen, so ist damit exakt der prinzipiell neue Gedanke ausgesprochen, daß Gottes freier Wille keine Willkür bedeutet, sondern daß diese Freiheit zur Güte erst gewonnen ist aus der Bindung an die Vernünftigkeit. Die Vernünftigkeit aber ist das Wesen Gottes, und da es das Wesensgesetz der Vernunft ist, in der Reflexion sich in sich selbst polar zu distanziieren, so ist Gott seinem Wesen und seiner Natur nach gezwungen, seinen Sohn hervorzubringen und zwar. das ist das Entscheidende, ihn in der Seele und als Seele zu gebären°“). Gott ist nicht einem blinden Naturtrieb unterworfen, da sein Wesen, die Vernunft über der „Natur“ steht. Der Akt der Geburt ist daher nicht „von nature“, wohl aber als aus seinem Wesen entspringend und ihm gemäß: .„naturlih“. Der Geburtsakt ist als ein freier, vernünftiger dem Willen entsprungen, nicht aber im schlechten Sinn naturgebunden als Willkür, Eigenwilligkeit (von willen), sondern, da die Naturbindung eine Bindung an und aus Vernünftigkeit ist, so ist der Akt Gottes „willeclihe unde niht von willen“ (Pf. 89: 290, 25 ff).

Gebären und Geboren-werden bedeuten unter einem anderen Bilde Sprechen und Hören. Gott spricht und wir hören. Beides ist notwendig und total: „Suochest du got alleine, allez daz er geleisten mac, daz vindest du mit gote ... und heti got noh m&, er möhte ez dir niht verbergen und er müeze ez dir offenbären und er gibet dirz, unt ich hän etwenne gesprochen: er gibet dirz in gebürte wise“ (Pf. 11: 58,38 ff). „Des vaters sprechen ist sin gebern und des sunes gehoeren ist sin geboren werden. Nu sprichet er: allez daz ich gehoeret hän von minem vater.“ Jä allez daz er @wecliche gehoeret hat von sinem vater, daz hät er uns geoffenbärt unde hat sin uns niht bedecket. Ich spriche: und hete er tüsentwarbe me gehoeret, er hete ez uns geoffenbäret und er hete sin uns niht verdecet“ (Pf. 12: 63, 32 ff).

Gegen die Einschränkung der Totalität der Offenbarung nimmt Ec&hart in scharfer Weise Stellung: „Nü wundert mich von etlichen pfaffen, die wol geleret sint und grösse pfaffen sin wellent, daz sie sich also schiere läzent genüegen und läzent sich betoeren unde nement daz wort, daz unser herre sprach „allez daz ich gehört hän von minem vater, daz hän ich iu kunt getän”,

3) Pf. 40:137,8—12; 56: 179,35; 59: 191,6; 65: 205,5; 89:290, 25 ff.

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