Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

100 IV. Jm;Dienſte der europäiſchen Reaktion.

vom Mutterlande losgelöſt und ſelbſtändig gemacht hatten, ivaren für die Züchtigung durch die reaktionären Regierungen reif, denn man durfte das heilige Legitimitätsprinzip nicht ungeſtraft brechen laſſen. Allein Canning beurteilte dieſes Geſchehnis anders als ſeine Kollegen auf dem europäiſchen Feſtlande. Sein diplomatiſcher Vertreter in Verona machte ganz tro>en, faſt ſo, als würde es ſih um etivas Selbſtverſtändliches handeln, die Mitteilung, England habe wegen ſeiner Handelsbeziehungen, die „tatſähli< beſtehenden Regierungen““ der abgefallenen ſpaniſchen Kolonien als kriegführende Mächte betrachtet und es werde wohl zur Anerkennung ſchreiten müſſen. Dieſe peinliche Eröffnung verſtimmte die Hüter der Ordnung ſehr. Metternih machte monatelang krampfhaſte Anſtrengungen, den neuen Londoner Miniſter des Äußern zu bekehren; er ſ{<lug für das Jahr 1824 abermals einen Kongreß vor, um bei dieſem Anlaſſe England zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Canning jedoch lehnte rundweg ab, ſich irgendwie beeinfluſſen zu laſſen, und er erkannte ſchließlich die Unabhängigkeit der amerikaniſchen Freiſtaaten vorbehaltlos an 2).

Urſprünglich hatte man daran gedacht, in Verona hauptſächlich die italieniſchen Fragen zu beſprechen. Nun kam dieſes wichtige Thema erſt gegen Ende der Beratungen zur flüchtigen Verhandlung. Metternich war bei dieſer Gelegenheit eine neuerliche ſhmerzliche Niederlage beſchieden. Der öſterreichiſche Staatskanzler, der mit der Auſrichtung des italieniſchen Bundes kein Glück gehabt hatte, wollte jeht auf einem Umwege ans erſehnte Ziel gelangen. Nach dem Vorbilde der deutſchen Zentralunterſuhungskommiſſion in Mainz ſollte jenſeits der Alpen eine ähnliche Überwachungsbehörde eingeſeßt werden, um auf dieſe Weiſe Metternichs ausſchlaggebenden Einfluß auf der ganzen Apenninenhalbinſel zu begründen. Aber wie ſehr ſi<h au< der Herzog von Modena. für dieſe Jdee begeiſterte, der ſchlaue Plan des Wiener Staatskanzlers mußte Schiffbruch erleiden. Die päpſtliche Regierung weigerte ſich, die öſterreichiſche Polizeidiktatur hinzunehmen — beileibe nicht aus freiheitlicher Beſorgtheit, ſondern nur in dem Drange, ihre Unabhängigkeit nicht beſchränken zu laſſen. Ebenſo lehnten ſich Sardinien und Toskana gegen die liſtige Zumutung auf. Da blieb für Metternich nichts anderes übrig, als die böſe Schi>fſalsfügung mit lächelnder Miene hinzunehmen. Er ſuchte den Rückzug zu verde>en, indem er heuchleriſch behauptete, es ſei bloß

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