Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

12 IV.7Jm Dienſte der europäiſchen Reaktion.

riſche Einmengung den Boden vorzubereiten, ohne jedoh Anklang zu finden. Da England unbekümmert um ſeine ehemaligen Alliierten den König Ludwig Philipp anerkannte, blieb den andern Mächten nichts übrig, als in den ſauern Apfel zu beißen. Allerdings konnte ſi<h Nikolaus nicht dazu aufraffen, dem „Barrikadenkönige““ die übliche Anrede: „Mein Bruder“ einzuräumen. Ludwig Philipp mochte ſelbſt fühlen, wie peinlich ſeine königliche Exiſtenz in den Staatsfanzleien der kontinentalen Großmächte empfunden wurde, und ex ließ deshalb durch ſeine Spezialabgeſandten beruhigende Verſicherungen abgeben. Für das zurüchaltende Auftreten Metternihs dürfte nicht zulegt der Umſtand maßgebend geweſen ſein, daß ſich die öſterreichiſhen Staatsfinanzen in einem ret kläglihen Zuſtande befanden und dadurch die militäriſche Unternehmungsfähigkeit ſtark behinderten. Aber wenn man auch äußerlich ruhig blieb, in den Herzen nagte der Gram fort. Argwöhniſch, voll ſchwerer Bedenken, bli>ten die Staatsmänner noch jahrelang nach Paris, das als Herd revolutionärer Jdeen galt. Man konnte in Wien das Gefühl nicht los3werden, daß ſ<ließli<h ein Krieg mit Frankreich unvermeidlich ſein werde. Ein Worz des Kaiſers Franz an den Erzherzog Carl kennzeichnet die Verhältniſſe am beſten. „Wir wollen zwar keinen Krieg“ — meinte der Kaiſer — „aber wir müſſen uns ſtad (langſam) rüſten 1).“

Doch wenn mit der Umwälzung in Frankreich auh ſchon alles vorüber geweſen wäre! Jndes, das Feuer blieb nicht ſtaatlich be“ grenzt. Eine der verfehlteſten Schöpfungen des Wiener Kongreſſes war das Königreich der Niederlande, dem ohne Rücſicht auf Geſchichte und Nationalität Holland und Belgien zugewieſen wurden. Fremdartiges läßt ſich jedoch auf die Dauer nicht vereinen. In Belgien konnte man ſich mit dem friſchgeſchaffenen Staatsweſen nicht verſöhnen, und man wartete voll Spannung auf den geeigneten Augenbli>, um den Zwang abzuſchütteln. Der Moment zum Losſchlagen war gekommen, als Paris gezeigt hatte, wie man es machen müſſe. Am Geburtstage des Königs Wilhelm — im Auguſt 1830 — brach in Brüſſel die Revolution aus. Wieder gab es für die Kabinette der Großmächte mancherlei Verlegenheiten, denn man mußte ſich die inhaltsſhwere Frage vorlegen: was tun? Unter den Staaten, die den Pariſer Frieden geſchloſſen und die Reſtauration durchgeführt hatten, zeigten ſich zwieſpältige Anſichten. Von ſchneidiger

1) Tagebücher des Carl Friedrih Freiherrn von Kübe> von Kübau. Wien 1909. 1. Band. 2. Teil.