Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

114 TV. Fm Dienſte der europäiſchen Reaktion.

von der proviſoriſchen Regierung in Brüſſel die Abſendung eines Vertrauensmannes nach der engliſchen Hauptſtadt zu verlangen. Weſſenberg hatte ſich dieſem Beſchluſſe geſügt, ohne dazu von ſeinem Hofe und von dem Staatskanzler ausdrüdlich ermächtigt zu ſein. Er nahm überhaupt eine viel entgegenkommendere Haltung ein als die Wiener Regierung und zog ſich dadurch den Groll des Kaiſerà Franz zu. Die belgiſch-holländiſchen Angelegenheiten waren aber noch lange nicht ins reine gebracht. Zwar erhielt das befreite Land in dem Sachſen-Koburgex Herzog Leopold ſeinen unabhängigen König, do<h König Wilhelm blieb bo>beinig und beſtand auf dem Scheine, den der Wiener Kongreß ausgeſtellt hatte. Der Streit zog ſich bis zum Jahre 1839 hin und verſezte die Kabinette gar oft in Aufregung. Nachdem in London eine grundſäßliche Einigung unter den Großmächten zuſtandegekommen war, konnten aber die weiteren Ereigniſſe den Frieden Europas nicht ernſtlich erſchüttern. Kritiſche Augenblicke gab es no< mehrmals, und zwiſchen den Weſt- und Oſtmächten entſtanden drohende Spannungen. Die Gewitterwolken verzogen ſich jedoh wieder, ohne Schaden anzurichten.

Dem Reigen der Revolutionen ſchloſſen ſih auh die Polen an, die unter Rußlands Herrſchaft ſtanden. Kaiſer Alexander hatte ihnen voll guten Willens eine Verfaſſung gegeben, die der franzöſiſchen Charte vom Jahre 1814 nachgebildet war und die ihrem nationalen Daſein ausreichenden Schug und ihren bürgerlichen JFntereſſen mancherlei Förderung angedeihen ließ. Jndes, die Polen, denen es nun ſicherlich beſſer ging als in den Zeiten ihres ſelbſtändigen Königtums, fonnten den neuen Verhältniſſen keinen Geſchmack abgewinnen. Von zwei Seiten wurde gegen die beſtehenden Einrichtungen angefämpft. Die ſtolze polniſche Ariſtokratie wollte teils in ro=mantiſcher Begeiſterung, teils in ſ{hnöder Selbſtſucht einen Wandel herbeiführen, während die demokratiſche Partei nach voller Freiheit, nach reſtloſer Verwirklichung ihrer Träume inniges Verlangen trug. Dieſe beiden Strömungen floſſen im Jahre 1830 zuſammen und bewirkten den nationalen Aufſtand, der im November in Warſchau begann.

Das feurige, ſhwärmeriſhe Weſen der Polen übte auf empfängliche Seelen immer einen ſtarken Eindru> aus, und die Polenbegeiſterung flammte in Europa wieder auf. Jm ungariſchen Landtage bewies man den Revolutionären unverblümt die volle Zuneigung, und ſelbſt die Wiener Regierung befand ſich in einer eigentümlichen Situation. Jn Öſterreich war von jeher der