Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

116 IV. Jm Dienſte der europäiſchen Reaktion.

länger zu ſäumen. Der Vertrauensmann, der mit dieſem Ratſchlage nach Warſchau eilen ſollte, kam zu ſpät. Als er am 8. September des Jahres 1831 dort eintraf, war die Stadt von ruſſiſhem Militär bereits bezwungen. Zar Nikolaus trug den Sieg davon und zögerte nicht, thn mit unnachſichtlicher Strenge auszunügzen.

Schon im Auguſt 1830 hatte der öſterreichiſche Staatsfanzler in einem Berichte an ſeinen Monarchen geſchrieben : „Eine Seite, wohin wir die Blicke unverweilt richten müſſen, iſt die italieniſche. Dorthin wird ſich das revolutionäre Treiben ſicher zu wenden trachz ten.“ Und in der Tat! Metternichs Prophezeiung war richtig. Nur entwidelten ſih die Ereigniſſe im Süden diesmal etwas langſamer als im Weſten und Norden. Am 2. Februar 1831 wurde Gregor XVI. zum Papſte gewählt. Noch bevor dieſe Nachricht in der Romagna eintraf, hatten ſich die Bewohner von Bologna erhoben. Der Auſſtand griff raſh um ſich, und bald wehte zwiſchen den Ufern des unteren Po und der oberen Tiber die dreifarbige nationale Flagge"). Bereits im Februar wurde die weltliche Herrſchaſt der Päpſte auf einem freudig bewegten Kongreſſe in Bologna ſür aufgehoben erflärt und ein Bund der italieniſchen Provinzen begründet. Fn Modena und in Parma erhob ſich die Bevölkerung gleichfalls. Metternich war von allem Anbeginne entſchloſſen, den Umſturzbeſtrebungen in Jtalien mit voller Kraft entgegenzutreten und die Apenninenhalbinſel von dem „revolutionären Fieber“ zu beſreien. Öſterreich wollte ſchon de3halb Ruhe haben, weil es das lombardo-venezianiſche Königreich vor allen Erſchütterungen zu vewahren ſuchte. Als nun der Herzog von Modena, die Herzogin von Parma und — niht ohne inneres Widerſtreben — der Papſt um den Beiſtand des Kaiſers Franz baten, ließ, man die Regimenter bereitwilligſt marſchieren. Aber das Jntervenieren war niht mehr ſo einfa< und ſo gefahrlos wie früher. Jn Paris, wo man für die Vorgänge in Jtalien lebhaftes Jntereſſe bekundete, vertrat man nachdrü>lih den Grundſatz der Nichteinmiſchung. Das italieniſche Volk ſollte über ſih ſelbſt beſtimmen können. Jndes, Metternich wußte Rat. An dem Aufſtande im Kirchenſtaate hatten zwei Angehörige des Hauſes Bonaparte teilgenommen, und die Bewegung wies überhaupt einen bonapartiſtiſ<hen Charakter auf. Jn Frankreich ſelbſt gewann die bonapartiſtiſ<he Strömung an Stärke, und König Ludwig Phi-

1) Pietro Orſi, Das moderne Ftalien. Leipzig 1902.