Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, S. 206
—— ————
199
in Belgrad geweſen und Fnſtructionen für die Entfaltung des bosniſchen Aufſtandes mitnahm, feierli<h den FJnſurgenten die Verſprehung zufommen laſſen, daß am 4. Mai 150.000 Mann in Bosnien erſcheinen würden. Die Brücken über die Drina wurden auch bereits gebaut.
Von der ſtets wachſenden politiſhen Aufregung in Serbien, die unter dem ſerbiſchen Volke mit allen Mitteln großgezogen und künſtlih genährt worden war, zeigten auh die Pöbel-Exceſſe, wel<he am Tage der „Miloſch-Feier“ (zum Andenken der erſten Schilderhebung Serbiens) vor dem Gebäude des öſterreihiſ<-ungariſhen Generalconſuls, Fürſten Wrede, ſtattfanden. An demſelben Tage überfiel au< eine Schaar türkiſcher Wegelagerer ganz unvermuthet den ſerbiſchen Grenzcordon Wittiſchka; es entſpann \i< ein wüthender Kampf. Wiewohl die ſerbiſhe Grenzpatrouille nur aus dreißig Mann beſtand, wurden die Angreifer doh mit blutigen Köpfen zurü>gewieſen. Fn Folge dieſes Vorkommniſſes ließ der Krieg8miniſter alle Grenzcordone mit Milizſoldaten anſehnli<h verſtärken. Es begann der Aufmarſh von 100.000 Soldaten der Miliz an der bosniſchen, altſerbiſ<hen und bulgariſchen Grenze. Zuprija war zum Hauptquartier -beſtimmt, wohin der Fürſt in Begleitung einer Escadron Cavallerie als Kriegsſuite abgehen ſollte. Trot dieſer kriegeriſ<hen Anzeichen trug ſih der Fürſt denno< mit allerlei Bedenken, die vom Lande ſo heiß erſehnte Action zu eröffnen. Auch die öffentlihe Stimmung ſ{<wankte fortwährend. Da machte eine neue Erſcheinung die Begeiſterung neu auflodern. Jn erſter Linie war es, ſeit man wußte, daß ein Miniſterium Riſtics außer Combination und daher der Krieg außer Frage ſtand, jedem Serben leiht um's Herz geworden. Federmann ſagte: Schto Bog dade i sretscha junatschka ! (Was Gott und das Heldenglü> geben werden.) Nicht minder begeiſterten ſich die hohgeſ<\lten Kriegsluſtigen, und zwar dur die Ankunft von FräuleinFohanna Markus, welche na< Verſicherung ihrer Ritter, die ſie „die ſerbiſhe Fungfrau von Orleans“ nannten, die „heilige Freiheitsfahne“- den Streitern für Kreuz, Freiheit und Nationalität vorantragen werde.
Man brachte ihr Huldigungen auf Tritt und Schritt; ihr Oelbild ſah man im NationalMuſeum neben anderen Volks8heldinnen prangen und ihren Anſprachen lauſhte man mit Verehrung. Die Südſlaven bewährten wieder ihren Charakter, nämlih, daß ſie verſtehen, feurig zu lieben, gründlih zu haſſen, tüchtig daraufzuſchlagen und den Feind im Kampfe bis über den Tod hinaus zu verfolgen.
Wie war aber Fräulein Markus ſo plöblih na<h Belgrad gekommen? Die Begleiterin des
Juſurgenten-Chefs Ljubobratitſ<h hatte ſi nah Serbien gewendet, nachdem ſie ohne Erlaubniß der Behörde den ihr beſtimmten Aufenthalt in Linz verlaſſen hatte. Sie hatte ſih eines Tages zu ihrer Umgebung geäußert, daß ſie nah Wien reiſen werde, um in ihrer Angelegenheit mit dem Geſandten der Niederlande, Grafen Zuylen van Nyevelt, zu ſprehen. Dieſen Vorſaß führte ſie au< ſofort aus und fuhr mit dem nächſten Perſonenzuge Mittags um zwölf Uhr, unter Rücklaſſung der officiellen Beſtätigung, na< Wien. Sie langte Abends auf dem Weſtbahnhofe an, beſtieg einen Einſpänner und gab dem Kutſcher die Weiſung, na<h dem Staatsbahnhofe zu fahren. Hier löſte ſie eine Fahrfarte zweiter Claſſe und benüßte den bald darauf nah Peſt abgehenden Perſonenzug zur Weiterreiſe na<h Peſt, um von da über Bazias nach Serbien zu gelangen.
Seit ihrer Ankunft in Belgrad wurde ſie von Allen gefeiert. Der Junakinja (Heldin) wurde von der kriegsbegeiſterten Fugend ein ſolenner Facelzug gebracht, welcher ſi< vor dem fürſtlihen Konak (Palais) zu einer förmlichen Krieg8demonſtration geſtaltete. Ganz Belgrad war auf den Beinen und durchzogen die Maſſen unter Vorantritt von Muſik und unter fortwährendem Zivio (Hoch)-Rufen die Straßen. Vor der Reſidenz des Fürſten wurde vom Belgrader Geſangsvereine die Volkshymne angeſtimmt und dann ging es geradeaus zum Hotel, wo die ſlavenfreundlihe Dame wohnte. Nach ſtürmiſchen Zivio-Rufen und einer von einem Profeſſor gehaltenen Anſprache erſchien die Amazone auf dem Balcon und erwiderte die verſchiedenen Ehrendemonſtrationen mit einer geharniſhten Rede, in welcher ſie ihren Gefühlen und Wünſchen für die Befreiung der ſerbiſhen Volksſtämme Ausdru>k gab. Eine ſtürmiſch begeiſterte Aufnahme belohnte die entflammte Rednerin für ihre raſſelnde Wortſtrömung. Bei dieſer Gelegenheit wollte eine Menge aus dem na<h Tauſenden zählenden Zuge abermals Unordnungen vor dem öſterreichiſhungariſchen - General - Conſulate heëxvorbringen, diesmal aber war die Polizei ſehr wa<hſam und vereitelte mit Machtmitteln das ſträflihe Vorhaben.
Serbien ſteuerte mit vollen Segeln dem Kriege zu, troy aller diplomatiſhen Dru>mittel, welche auf dasſelbe ausgeübt wurden.
Währenddem war der ruſſiſhe Unterhändler Bozidarowitſh Weſſel ißky bei den in der Suttorina verſammelten Fnſurgenten-Chefs angefommen und hatte, dem Auftrage des Fürſten Gortſchakoff folgend, denſelben die Annahme der Andraſſy’ſhen Reformen und den Frieden empfohlen, worauf die Fnſurgenten bemerkten, ſie nehmen dieſe Reformen gerne an, wünſchten aber auh deren wirkli<he Ausführung. Sie übergaben ihm ferner eine „Declaration“, welche