Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
gegen "verpflichtete ſich der kaiſerliche Neffe, dem Sohne des Sultans, Juſſuf Jzzedin, den Rang eines Generaliſſimus zu geben und ihn wie ſeine Brüder mit Apanagen und hohen Staatsämtern zu verſehen; die Söhne des Sultans dürfen nie im Junern des Palais internirt werden, ſondern ſollen in eigenen Palais wohnen.
Die Sultanin-Mutter und Frau (Mutter Juſſuf Jzzedin's) widerſeßte ſi< bis zuleßt dieſer Verſöhnung; es war bekannt, daß ſie die Seele aller Verſuche dieſer Aenderung der Thronfolge war, und der verſtorbene Fuad Paſcha ſhon hatte es einem ſeiner Vertrauten geſagt: „Dieſes Project wird allen Veziers dienen müſſen, welche ſih dur< die Protection der Sultanin Validé (wie die Muter des jeweilig regierenden Sultans genannt wird) an die Macht klammern wollen; aber es wird nie durchgeführt werden“.
Seit einiger Zeit jedo<h bra<h ſi<h das Gerüht von neuen Manövern zu demſelben Zwecke Bahn und diesmal mit weit größerer Stärke als je zuvor, weil das Project diesmal in weit unternehmendere und kühnere Hände gefallen war, als jene Fuad Paſchas geweſen. Huſſein Avni Paſcha war in der That der Sklave ſeiner Verſprehungen; er ging zu weit vor, um ſi< zurü>ziehen zu können, ohne ſi< dem Verluſte ſeines Portefeuilles und aller damit verbundenen Vortheile auszuſezen. Das Project hatte diesmal die Schmeichelei, welche der Unwiſſenheit ſpottet, und die Anmaßung, welche vor nichts zurü>kbebt, zu ihren Dienſten gefunden; man hatte diesmal daran gedacht, zu Ehren dieſes Projectes Manöver, welche eines ſol<hen Staatsſtreihes unwürdig ſind und eine Propaganda, welche nihts mehr zu verhehlen erlaubt, zu organiſiren. Und do<h war vorauszuſehen, daß man nict reuſſiren würde!
Man will gerne die Osmanlis für Sklaven des ſouverainen Willens ausgeben, und es iſt rihtig, daß die muſelmänniſche Bevölkerung Alles über ſi< ergehen läßt, wenn es ſi< um nichts weiter als um Steuern und andere Quälereien handelt, aber wenn man an ihren geheiligteſten Inſtitutionen, an Zuſtänden rüttelt, welche der Türkei ſeit drei Jahrhunderten die Ruhe und den inneren Frieden gegeben haben, dann verſteht das türkiſhe Volk keinen Spaß und läßt ſi< durch feinerlei Rücfſiht zurückhalten. Der Großvezier ſah dies ſo gut ein, daß er die Jdee aufgab, ein ſo unpopuläres Project durhzuſezen und wendete ſeine ganze Aufmerkſamkeit der Armee zu. Bald gab es keinen Officier mehr, der ihm nicht ſeine Beförderung verdankte, denn es war die lette Zuflucht Huſſein Avni Paſchas, den Prinzen Juſſuf Fzzedin in directe Verbindung mit der Armee zu bringen, um ihm jeden Tag Gelegenheit zu geben, ſi<_ den Soldaten zu zeigen und
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dur<h Freigebigkeit deren Anhänglichkeit zu gez winnen.
Bei dieſem Verſuche half ihm der Sultan ſo viel als möglich; er erhob in furzer Zeit ſeinen Sohn zu dem höchſten militäriſhen Range, nämlih zu dem eines Reichsmarſchalls und Commandanten des erſten Armeecorps, gewöhnli<h die faiſerlihe Garde genannt, und wel<hes Corps die Garniſon der Hauptſtadt bildet.
Dies war indeſſen no< nicht hinreichend, um den geplanten Staatsſtreich zu verſuchen ; es waren dazu noc folgende Dinge nöthig: 1. der Fetwa des Scheik-al-Jslam (d. h. die Genehmigung des Oberprieſters der muſelmänniſchen Kirche), baſirt auf eine der Sache günſtige Auslegung der Texte des Korans; 2. die Unterſtüßung des Heeres im Falle von Unruhen in den ultramuſelmänniſchen Provinzen des Reiches; 3. die Gunſt der europäiſchen Mächte, welche in den inneren Unruhen die ewige „orientaliſhe Frage“ von Neuem auſſteigen ſehen würden, und endlih 4. die Beſeitigung der ſe<s erſten Söhne des Sultans Abdul Medjid, welche alle den Prinzen) JFuſſuf Jzzedin an Alter überragten. Es hatte Sultan Abdul ſieben Söhne hinterlaſſen, nämlich: Murad Effendi, den präſumtiven Thronfolger (geb. 1840); Hamid Effendi (geb. 1842), Rechad Effendi (geb. 1844), Hemal Effendi (geb. 1847), MehmedEf fendi (geb. 1849); Nureddin Effendi (geb. 1851) und Suleiman Effendi (geb. 1861). Es iſt alſo nur dieſer Lettere jünger als der Prinz JFuſſuf Jzzedin, welher am 9. October 1857 geboren worden.
Es gab ſomit no< ſehr viele Schwierigkeiten zu beſiegen und Hinderniſſe zu überſteigen und man hätte eine ſehr mittelmäßige Vorſtellung vom Scharfſinn des Großveziers gehabt, wenn man ihn nicht ſelbſt für davon überzeugt. gehalten hätte, daß ex einen <imäriſ<hen Plan verfolge, der nie zu etwas führen könne ; aber für ihn handelte es ſih darum, ſi< auf ſeinem Poſten zu behaupten und der Hoffnung der Sultanin Validé ſo lange als mögli<h zu ſ{hmeiheln; deshalb kam er auf die Jdee, den Prinzen zum Oberbefehlshaber der drei Armeecorps in Rumelien zu befördern. Nach Genehmigung dieſes Poſtens für ihn, und immer in der Abſicht, ſi< in der Gunſt der Validé zu erhalten, wollte er den jungen Prinzen zum Seraskier (Kriegsminiſter) vorſchlagen und ſo fort.
Dieſe Beſtrebungen nun, ſowie das fortwährende Wechſeln mit Miniſtern und Syſtemen, Alles das gewährte ein trauriges Geſammtbild, das an ein Schiff erinnerte, welches feſt gebaut und ſtolz bemaſtet, mit einer wa>eren Bemannung an Bord vor dem Sturm hintreibt, weil ſi< Niemand findet, der das Steuer mit feſter Hand zu ergreifen