Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, S. 329

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mond, um blutdürſtig gegen die Chriſten zu ziehen. Der Fanatismus wurde auf jede möglihe Weiſe genährt, die Vernichtung der Ungläubigen war die Parole, die von höchſter Stelle ausging, und nur auf dieſe Art konnte jener Grad von Enthuſiasmus hervorgerufen werden, welcher unter den Muſelmännern herrſchte.

Bei ſe<s- bis ahttauſend Mann ſolcher Freiwilligen in den abenteuerli<hſten Trachten der verſchiedenſten Stämme, ſämmtliche mit eigenen Waffen und außerdem no< mit ausgezeihneten Wincheſter-Gewehren verſehen, befanden ſi< im Lager von Beycos und wurden im Gebrauche der ihnen unbekannten Waffen unterrichtet. Jhre Offiziere waren meiſtens Chodschas (Lehrer), dur<h grüne Turbans erkenntli< und mit dem halbmondförmigen, alttürkiſhen Säbel umgürtet, Nationallieder ſpielend und ſingend, die alle in dem Thema der Chriſtenvernichtung gipfelten, von der dieſe Leute in ſo hohem Grade phantaſirten, daß ſie bei ihrer Einſchiffung von Stambul na< Beycos während des ganzen Weges den Ruf erſchallen ließen: „Auf! Nah Belgrad und Moſtar!“ Fn Beycos angelangt, zogen ſie, von einem greiſen Mollah (Oberrichter) mit der grünen Fahne und von anderen Mollahs, das gezü>te Schwert vorantragend, geführt, in das Lager ein. Faſt zú gleicher Zeit liefen drei prachtvolle Fregatten mit egyptiſchen Truppen , beiläufig 4500 Mann, im Hafen von Stambul ein und auch dieſe ſchrieen oder heulten Vivats den Baſchi-Bozuks zu.

Wenn es {hon in Conſtantinopel ſelbſt ſo zuging, dann war es niht zu wundern, wenn dieſe Fanatiker im FJnnern des Landes wirkli haarſträubende Gräuelthaten vollführten. Ruhige Dorfbewohner in Bulgarien wurden von BaſhiBozuks überfallen, buchſtäbli<h ausgerottet, deren Häuſer verbrannt und die Dörfer der Erde gleichgemacht; dies geſhah zu Hosfen Rapedſik und zu Yeni Mahole, beide Orte zwiſchen Adrianopel und Philippopel gelegen. Und damit war es noh immer niht aus; je mehr ſi< die Serben dem Bulgarenlande näherten, um ſo mehr wurden die Türken wüthender, denn die Baſchi-Bozuks hatten beſtimmteſten Auftrag, den Vernichtungskampf in unbarmherziger Weiſe fortzuführen und die Schlächterei allerorts fortzuſeßen, wo dieſes Geſindel eine Gefahr erbli>te.

Nur jüngere Frauen und Mädchen wurden geſchont, weil dieſe geſhändet und mißbraucht als Waare angeſehen und auf dem Lande öffentlich um fünf bis ſe<s Piaſter per Kopf verſhachert wurden, und ſo wanderten dieſe unglü>li<hen Ge{öpfe von Hand zu Hand. Es war ein entſeßlihes Bild, das fi< in Europa, in einem alters\{<wa<hen und dahinſiehenden Staate, entrollte — eine Shmach für die Bildungsbegriffe des Fahrhunderts! Und im vollen Bewußtſein deſſen, was ſi< vor den Thoren Stambuls und

in Stambul ſelbſt abſpielte, hatte man die Kühnheit, einen großen Meschlisch (Rath) abzuhalten und die Verfaſſung im Principe zu beſchließen! Vernichtungskampf gegen die Ungläubigen, Sklavenhandel, Raub, Mord, wohin das Auge bli>te und — Conſtitution! Wie konnte man dieſe Begriffe vereinen? Nein, die im Jslam begründete Bekehrungsſucht gebietet die Vernichtung und Unterjohung aller Ander8gläubigen ; mit dem Aufgeben dieſes Grundzuges des Korans hört der Jslamismus auf.

Recht bedrohlih waren ferner die Vorgänge in Türkiſh-Croatien unmittelbar an der öſterreichiſchen Grenze. Bereits ſeit einiger Zeit machte ſich im mohammedaniſhen Pöbel von TürkiſchBrod eine tiefer gehende Bewegung bemerkbar. Der bekannte, ebenſo einflußreihe als fanatiſche Hadzi Attif Sardanagit#\<, ein bosniſcher Renegat, hebte und ſchürte die Leidenſchaften des dortigen Pöbels gegen die geſammte chriſtliche und andersgläubige Bewohnerſchaft. Es durchzog ein Haufe des niedrigſten moslemitiſ<hen Geſindels die Stadt unter Führung des erwähnten Sardanagitſ<, ſtieß die fur<htbarſten Drohungen gegen alle Ungläubigen aus und veranlaßte dur ſein herausforderndes und unheilverkündendes Benehmen mehrere <riſtlihe Bewohner TürkiſchBrods, ihre Läden zu ſchließen und \i< in das Jnnere ihrer Häuſer zurückzuziehen. Die Urſache dieſes unbenennbaren Vorgehens war — die erfolgte Vertheilung einer Anzahl grüner Fahnen, welche in der ganzen Nahija ſtattfand. Das Bewußtſein der nahe bevorſtehenden En trollung der Fahne des Profeten gab dieſen Pöbelhaufen die Veranlaſſung, ihren von den Chodſhas bereits genügend entfeſſelten fanatiſhen Leidenſchaften die Zügel ſchießen zu laſſen und die Geſammtbevölkerung in {<re>ender Weiſe zu bedrohen. Das ſonderbarſte an dieſer Thatſache war, daß dieſesmal ſelbſt die jüdiſche Bevölkerung von Türkiſh-Brod, die doh ſonſt von den Türken ſogar in Schuß genommen wurde, ernſtlih bedroht erſchien.

Da ſhon ein paarmal im vorliegenden Buche der Schre>ken erregenden Drohung des Entrollens der Fahne des Profeten und des dur ein ſolches Geſchehniß zu entflammenden fur{<tbaren, ſogenannten heiligen Kampfes Erwähnung geſhah, müſſen wir doh über dieſe Fahne und die Folgen ihrer Entrollung nähere Aufklärung geben.

Die mehrfa< erwähnte Fahne iſt keines der gewöhnlichen türfkiſhen Feldzeichen; dieſe leßteren find mehrentheils von auf einer Stange befeſtigtem vergoldeten Halbmonde niederhängende Tuggs — das heißt Roßſ<hweife. Den Paſchas dritten Ranges, die bis dreitauſend Mann hbefehligen und etwa im Range den öſterreichiſchen Generalmajors entſprechen, wird ein Roßſchweif,