Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Kartätſchenhagels, mit dem ſie überſchüttet wurden und der ihre Reihen raſh lichtete, eine be-

merkenswerthe Unerſhro>enheit an den Tag legten. Noh ein paar kräftige Bajonnet- Angriffe der türkiſchen FJunfanterie und ihre Gegner

weihen. Auf ihrem Rücfzuge erlitten ſie no< \{<were Verluſte dur<h das ſie verfolgende Feuer von den Forts und Batterien, wozu ſi< noh ein geſhi>t ausgeführter Angriff der Tſcherkeſſen geſellte, denen es gelang, eine Anzahl Koſaken abzuſchneiden.

Dieſer Erfolg hob den Muth der Beſatzung, welcher durh die vergleih8weiſe Unthätigfkeit, zu der ſi<h die Mannſchaft verurtheilt ſah, einigermaßen geſunken war, wieder um ein Beträchtliches. Am 31. Mai wurde türkiſcherſeits der lette Verſuch gemacht, die Einſchließung von Kars durch die Ruſſen zu vereiteln, und ſette ſi<h zu dieſem Zwe>e Muſſa Paſcha mit einem Cavalleriecorps von dem Soghanly-Dagh gegen Kars in Bewegung. Jn der Nähe von Ardoſt bemerkte der Commandant der ruſſiſhen Cavallerie, Fürſt Tſchawtſchawadſe, die Wachtfeuer der Truppen Muſſa Paſchas. Wie gewöhnli<h hatten die Türken keine Vorpoſten ausgeſtellt; ſie wurden daher um Mitternacht von den Ruſſen überfallen und ihnen bedeutende Verluſte zugefügt.

Hiermit war das Schi>ſal von Kars entſchieden. Nach dieſem unglü>lihen Cavalleriekampfe mußte ſi< Mukhtar Paſcha die Frage aufwerfen, ob er die Engpäſſe das Soghanly-Dagh zu vertheidigen im Stande ſci. Angeſihts der numeriſhen Shwäche ſeiner Armee und der weit ausgedehnten, umfaſſenden, im Halbkreiſe von Olti öſtlih der Soghauly-Dagh bis Toprak-Kale ziehenden Angriffsfront der Nuſſen mußte er darauf verzichten und ſi< zur Vertheidigung eine kürzere Linie ſuhen. Fn der That wäre Mukhtar Paſcha, wenn er auf dem Soghanly-Dagh Poſition genommen hätte, bald über Olti umgangen worden. Mukhtar Paſcha entſchied ſi<h daher für den Rückzug. Seine Truppen verließen hei dem Erſcheinen der rufſſiſhen Avantgarde vor dem Soghanly-Dagh dieſe Poſition und zogen fih vorläufig na< Zewin. Mukhtar Paſcha ſelbſt verlegte ſein Hauptquartier na< Köpriköi am Aras (Araxes), wo ſi< die von Kars und Bajazid na< Erzerum führenden Straßen vereinigen. Die türkiſhe Armee ſchien von einer Panique ergriffen zu ſein, welche jedo<h ungere<tfertigt erſchien. Denn troß der Uebermacht der ruſſiſchen Armee in Armenien war dieſelbe kaum genügend ſtark, um Kars gleichzeitig einzuſchließen und zu belagern, Ardahan zu halten, Front zu machen gegen das Kurdiſche Korps bei Wan und die Paſſage na< Erzerum zu erzwingen,

Die Auſſtellung der Türken war daher auh fo angelegt, daß ſie ſämmtlihe Uebergänge über den Gebirgsfkranz Kauly-Dagh, Soghanly-Dagh, Kiöſe-Dagh beobachten konnten. Die Abſicht des türkiſhen Feldherrn war, die Ruſſen in ihrem Vormarſche ſo lange als möglich aufzuhalten und bei ernſtliherem Drängen die Stellung zu räumen, um erſt die Stellungen in Erzerum auf das Aeußerſte zu halten und zugleich das BelagerungsCorps der Ruſſen vor Kars in Schach zu halten. Judeſſen waren die Ruſſen unaufhaltſam vorgedrungen. G

Seit 17. Juni war Erzerum in eigenthümliher Aufregung. Jn der vorhergehenden Nacht waren Gerüchte über Niederlagen der Türken verbreitet worden. Mittags zweifelte Niemand mehr, daß die Türken bei Delibaba aufgerieben worden ſeien, daß der vollſtändige Rückzug der ganzen türkiſhen Armee die unmittelbare Folge dieſes Ereigniſſes ſein müſſe, und die Meiſten ſahen bereits Koſaken vor den Thoren Erzerums und auf der Straße nah Trapezunt.

Jm Laufe des Sonntags und Montags wurden unheilſhwangere Telegramme in Maſſen entſendet, und als Montag Mittags der engliſhe Militär-Attaché General Sir Arnold Kemball mit einem ſeiner Adjutanten in größter Eile und mit Zurülaſſung ſeines Gepä>s vom Schlachtfelde zurü>kkehrte, da war dem Faſſe der Boden ausgeſchlagen, und von vielen Seiten wurde nach Entſendung von Beſtätigung8-Depeſchen an den wohlgeordneten Rü>zug auf Trapezunt gedacht. j

Verwundete, welhe angekommen waren, beſtätigten den gegen Ende des Gefechtes erfolgten Todt des commandirenden Generals Ferik M e hmed Paſcha und den Rückzug des Corps nah Delibaba.

Die nahe Berührung, in welche der ruſſiſche

. linke Flügel mit den Türken bei Sejdeikan und

Daghar (Landſchaft Alaſchgerd) getreten war, führte zu dem Gefechte am 16. Funi, welhes um Mittag begann und Abends endete. Die beiden Gegner waren einander gewachſen, die ruſſiſche Artillerie wohl viel überlegen, aber in Folge des Ungeſchi>es ihrer Kanoniere nahezu unwirkſam ; das Gefeht war we<ſelnd, am Schluſſe desſelben hatte keiner der Gegner an Terrain gewonnen, Die Verluſte waren beiderſeits unweſentli<h (die Türken hatten an Todten 21 Mann, an Verwundeten 119 Mann verloren). Die Ruſſen hatten, wie aus Nachrichten von Landleuten hervorgeht, ihre Bagagen und Trains na<h Sejdeifan zurücgeſendet. Thatſache iſt, daß die türfiſhe Heeresabtheilung nah Abbruch des Gefechtes und während des Rückzuges keinen Schuß abgefeuert hatte, und daß die öſtlih des DelibabaBaghaz gelegenen, von Delibaba vier Stunden entfernten Dörfer Haidarköi und Eſchekilies von 105*