Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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baren Stellung ſeine Aufmerkſamkeit zuzuwenden und man würde ſehen, daß in der That der linke Flügel durch keine beſonderen Bodenhinderniſſe gede>t iſt, daß vielmehr von Zewin aus zwei breite, ſeichte, leiht anſteigende Thäler auf jenen ebenen Theil der Stellung führen, welcher zwiſchen den beiden Trefflinien ſi< befindet. Der Angreifer würde ſogar, wenn er ſeinen reten Flügel ſtaffelförmig vor ſein Centrum brächte, mit dieſem ſofort die erſte Trefflinie umgehen, dieſelbe in Flanke und Rücen nehmen und ſofort auf das zweite Treffen losgehen können, müßte jedo< das Flankenfeuer eines hinter dem linken Flügel auf hohem Berge auſfgeſtcllten Bataillons aushälten und in dieſem, ſowie in dem Feuer des zweiten Treffens einen ziemli< breiten Theil der Ebene durhſchreiten. Der rete Flügel iſt von Natur aus ſtark genug und wird überdies in ähnliher Weiſe wie der linke dur< eine „Höhenſtellung im Rücken gede>t, ſo daß eine weit umfaſſende Umgehung des Flüges aus dem Chan-Suju Thale allein hier zum Ziele führen fönnte.

Das der Poſition von Zewin vorliegende Gewinde des linken Chan-Suja-Ufers bietet, über ziemlih ſteile Thalwände mäßig anſteigend, zum Aufmarſch größerer Abtheilungen hinlänglich Raum; die vorderſten Geſchüßaufſtellungen liegen jedo<h zu weit entfernt (5000—6000 Meilen) von der türfiſhen Hauptpoſition, und der Thaleinſchnitt erſhwert erhebli<h das prompte Vorrücen der Artillerie. Das Aufmarſch-Terrain bietet übrigens nihts beſonders Bemerken8werthes.

Jn der erſten türkiſchen Linie war auf einer dominirenden Spitze eine Batterie von vier Gehüben, auf einer Nahbarhöhe re<ts zwei Geſhüße untergebraht, und es traten im Laufe des Gefechtes daſelbſt na< und na< 13 Bataillone in Thätigkeit; gegen Abend wurden no< zwei Gebirgsgeſhüße vortheilhaft links von der Hauptbatterie poſtirt. Jm zweiten Treffen befand ſih am Ende der Schlacht noh ein Bataillon, welches feinen Schuß gethan hatte, während in den Höhenſtellungen hinter den beiden Flügeln je ein unbeſhäftigtes Bataillon verblieb.

Auf dem Top-Tepe befand ſi< der ganze Generalſtab. Gerade gegenüber an dem von Menſchingerd das Gelände herabziehenden Wege waren re<ts und links, etwa 7000 Meter entfernt, zwei große dunkle Maſſen, etwa wie Heerden ausſehend, zu bemerken; die Morgendünſte der Luſt ließen eine genaue Beurtheilung no< niht zu, als ſhon die links vom Wege liegende Maſſe urplößlih in regelre<te Colonnen formixt war, welche fi, theilweiſe dur< Terrainwellen verborgen, nah links zogen und bald in Form von getrennten ſe<s Cavallerie-Escadronen auf dem 5500 Meter entfernten, bedeutend höhern Gebirg8complex vor dem reten türkiſhen Flügel

Zimmermann, Geſc, des orient. Krieges.

erſchienen. Auch die andere Maſſe ſebte ſi< in ähnlichem Manöver nah links in Bewegung, während ſhon die Seitentrupps der erſten drei Escadronen in lebhaftem Feuergefehte mit 50—60 furdiſchen Reitern ſi< befanden, welche von den türkiſhen Vorpoſten auf das linke Ufer geſendet worden waren. Dieſes leichte Reitergefeht währte drei Viertelſtunden. Die ruſſiſhen Escadronen manövrirten mit der größten Vorſicht, welche ſi< bis zur Shwerfälligkeit ſteigerte ; ſie ließen, wie man vorzügli< ausnehmen konnte, die beſten Gelegenheiten außer Acht, die wenigen Kurden abzufangen oder zu zerſprengen, und warteten, bis ihnen zwei weitere Escadronen zu Hilfe kamen, welche zwar im Galop gegen die Kurden anritten und ſie verjagten, von der Hauptbatterie jedo< dur einige wohlgezielte, in das Flußthal gerichtete Schüſſe von der Verfolgung abgehalten wurden, worauf ſie ungeſtört weiter ſüdli<h gegen Choraſſan abzogen. Jmmer neue Cavallerie folgte denſelben Weg, kaum einige Poſten zur Beobachtung zurülaſſend, und {hon waren die Türken der Meinung, daß der Feind hinter ſeiner Cavallerie in ganzer Kraft gegen Choraſſan vorgehen, das dortige Detachement {lagen und den Truppen nun in den Rüefen fallen werde, als ſi< gegen zehn Uhr auf der höchſten ſihtbaren Stre>e des Menſchingerder Weges FJunfanterie- und Artilleri- Colonnen in ſolcher Stärke zeigten, daß beſtimmt angenommen werden konnte, die Ruſſen hätten einen re<t ernſten Beſuch zugedacht. Während in den Morgenſtunden im Kriegsrathe ſo manche Stimme für die Concentrirung bei Köpriköi ſi< erhoben hatte, war jet Alles bereit, mit voller Kraft und mit dem Bewußtſein des Sieges den Ruſſen entgegen zutreten. Das ruſſiſche Corps, commandirt von dem General Loris-Melikoff, beſtand aus 20 Bataillonen (16.000 Mann), 30 Escadronen (4500 Mann) und 30 Geſchüßen. Hiervon waren 5 Bataillone, 20 Escadronen und 6 Geſchüße gegen Köpriköi detachirt, ſo daß die anrü>kende Macht auf 14.000 Mann geſhäßt werden konnte. Türfiſherſeits waren 17 Bataillone (davon nur 14, etwa 7000 Mann, im Gefecht), 4 Escadronen (400 Mann) und 10 Geſchübße, davon 8 im Gefeht. Die Ruſſen konnten nur 21 Geſchütze in's Feuer bringen.

Der ruſſiſ<he Aufmarſch vollzog ſi< in dem ſanft abfallenden Gelände in pittoresfer Weiſe. Jm Galop marſchirten die Batterien auf ihre Pläbe, die Bataillone formirten ſi< und verſhwanden erſt in den die Thalwände krönenden Hügelketten, um erſt in einer halben Stunde als dichte Tirailleurketten, bede>t vom türkiſchen concentrirten Feuer, die ſteilen Gebirgswege anzuſteigen. Von nun an wogte der Kampf vorwiegend im Mittelpunkte und in den anſ<hließenden Theilen des re<ten Flügels mit einer

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