Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

gekoſtet, und nux na< Einbruch der Nacht konnte Osman Paſcha, der den furchtbar erſhöpften Truppen eine mehrſtündige Raſt gegönnt hatte, den Weitermarſ<h beginnen. Fndeß hatte die Cavallerie, den unermüdlihen Haſſan an ihrer Spitze, die Koſaken bei Suleiman-Dereh ereilt, fie zerſprengt und ihnen Pferde, Waffen, Gepä> und Gefangene abgenommen. Doch endlich ſelte die Nacht der weitern Verfolgung ein Ziel; den nächſten Morgen jedo< wurde dieſelbe wieder aufgenommen. Alle Ortſchaften, welche die Truppen pafſirten, waren mit feindlihen Verwundeten überfüllt. Ueberall ſtießen die vordringenden Türken auf Spuren großer Entmuthigung, ja Demoraliſation unter den Ruſſen, denen im Orte Karadaß, welcher in der Mittagsſtunde des 20. Juli beſezt wurde, 166 unverwundete Gefangene abgenommen wurden. Jn Vina ſtießen die Tſcherkeſſen auf zurü>gehende

Artillerie, wel<he ſie ſofort angriffen und ein £Æ2 ſchienen die

Geſhüß nahmen. Hinter . Vina Ruſſen in ziemli< gut gewählter Stellung die Türken erwarten zu wollen.

Doch auch dieſe Stellung wurde von ihnen in fluchtartiger Eile geräumt, als die Corpsſpißen der Sieger ſihtbar wurden, worauf die Ruſſen vor Derwiſh-Koy und Bulgareni auf das rechte Ufer der O8ma übergingen und hier die Verfolgung ihren vorläufigen Abſchluß erhielt.

Die Unkenntniß der Stärke des Gegners, die eigenen {weren in der Schlacht von Plewna erlittenen Verluſte, die ho<hgradige Erſchöpfung der dur< ſe<hS8unddreißig Stunden ohne Speiſe und Trank gebliebenen Truppen geboten Os8man Paſcha Halt. Er ſelbſt verlegte ſein Hauptquartier am 21. na< Vina, wo zweitauſend Mann der Garniſon von Semowit, die ih von Nikopolis hierher unter Tauſenden von Gefahren, unſäglihen Mühen und Strapazen dur<ſ<lugen, zu ihm ſtießen.

Das Seitern des rufſiſ<hen Planes war weſentli<h eine Folge der fehlerhaften Gefechtsdi8poſition des Generals Krüdener, wodur<h ſih auh die außergewöhnlichen Verluſte der Angreifer erklären laſſen.

Ohne durch die türkiſche Verfolgung gedrängt zu ſein, mußten die ruſſiſhen Generäle wegen der Zerrüttung ihrer Truppen den Rüzug hinter die Os8ma-Linie antreten.

Die Straße na<h Bulgareni war mit aufgelöſten und fliehenden Truppen bede>t, bei denen gar feine Ordnung zu bemerken war. Offiziere ohne Soldaten, Soldaten ohne Offiziere, ohne allen Zuſammenhang, die Meiſten ohne Waffen ! An der ſ{<malen Brücke bei Bulgareni herrſchte wilde Unordnung und eine vollſtändige Stauung. Ambulanzwagen, Munitions8wagen, Vorrathswagen, Offiziers-Equipagen, reiterloſe Pferde,

75 war feine Kleinigkeit,

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Karren mit Verwundeten häuſten ſi< hier zu einem unbeſchreiblihen Wirrwarr. Verwundete gab es längs des ganzen Weges, aber ihre Hauptmaſſe begann ein wenig unterhalb Bulga[reni und erſtre>te ſi< in ununterbrochener Reihe ſieben Meilen auf der Straße nah Siſtowo. Sie ‘waren auf Wagen aller Art geladen, die Meiſten ‘auf den landesüblihen Ochſenkarren, die {<werer Verleßten in den Ambulanzen. Eine große Menge ging zu Fuß. Obwohl Manche unter ihnen ernſtli<h verleßt waren, hatte ihre Marſchfähigkeit niht gelitten. Es gab Viele, die den ganzen Weg vom Shlachtfelde zu Fuß zurügelegt hatten. Sie hatten no< vor ſe<s Uhr Abends Siſto wo erreicht, alſo mußten ſie verwundet, wie ſie waren, einen Weg von vierzig Meilen in vierundzwanzig Stunden zurückgelegt haben !

Der Ambulanzdienſt war ausgezeihnet. Es einen Wagenzug zwölf Stunden nah der S<hlacht die Hälſte Weges bis zu ſeinem Beſtimmung8orte zu bringen, aber faſt alle Verwundeten in dem Zuge waren zu Fuß aus der Schlacht fortgegangen. Die Schwerverwundeten lagen größtentheils, wo ſie gefallen waren, und Jene, welhe die Nacht über in Radiſowo geblieben, waren maſſacrirt.

Nach Berechnung eines ruſſiſhen GeneralſtabsOffiziers betrug der ruſſiſhe Verluſt an Todten, Verwundeten und Vermißten ſe<s bis ſiebentauſend Mann! Am ſ{<werſten hatte die Brigade der 32. Diviſion gelitten. Außer ſ{hre>li<hem Menſchenverluſt büßte ſie eine Regimentsfahne ein; die ganze 30. Diviſion war niht weniger hart mitgenommen, und alle drei Brigaden unter Schachowskoi's Commando waren für einige Zeit völlig unbrauchbar.

Jn Zimnißa herrſchte wilder Schre>en. Die anlangenden Verwundeten ließen das Gerücht entſtehen, die Türken ſtünden nur eine Stunde weit von Siſtowo und die Brü>e ſei in Gefahr. Die Hand voll ruſſiſcher Truppen, welche in Zimnißa garniſonirte, ward zur Vertheidigung der Brü>e aufgerufen, und einige Feldgeſhüße wurden in Stellung gebracht. All das ſonderbare Volk, welches der Krieg in Zimnißa zuſammengeweht : Höker, Marketender, Kaufleute und Händler aller Art, war wie eine Heerde erſhre>ter Schafe davongelaufen.

Zimnita war an jenem Tage faſt menſchenleer. Der Stand der beiderſeitigen Armeen an jenem, für die Ruſſen ſo unheilvollen Tage war folgender. Es fochten bei Plewna auf ruſſiſcher Seite: das 9. Corps, nah Abrechnung der in früheren Gefechten erlittenen Verluſte, mit 20.000, die 30. Diviſion mit 12.000, die 2. Brigade der 32. Diviſion mit 6000, zuſammen 38.000 Combattanten. Auf türkiſher Seite verfügte Osman Paſha über 30.000 Mann, mit

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