Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Türken vom Range eines Majors: „Sagen Sie mir gefälligſt, wie ſteht es bei ihrer Armee in finanzieller Hinſiht? Haben Sie Fhren Gehalt regelmäßig und pünktlih erhalten?" Der Türke: „Das weniger, kaiſerlihe Hoheit; ih habe no< für drei Monate zu fordern.“ Dieſelbe Frage wird nun zweien Anderen geſtellt. Der Erſte antwortet: „Mir iſ die Kriegskaſſe für zwölf Monate ſchuldig.“ Der Zweite ſagte: „Jh habe \{<on vierzehn Monate keinen Gehalt befommen". Dex Großfürſt: „Nicht möglich !" Ein \{<warzer Araber ruft aus der Mitte der Gruppe : „Und ih habe überhaupt no< kein Geld geſehen, ſeitdem ih in der Türkei bin ; zwei volle Fahre. “ Der Großfürſt : „Das heißt, Sie werden wohl fein Gold geſehen haben, aber Geld gewiß“. Der Araber lachend: „Weder Gold noh Geld; ih habe das türkiſche Geld no niht kennen gelernt. Jh glaube, es giebt da überhaupt keines.“ (Gelächter.)

Einen anderen Offizier, von den egyptiſ<en Hilfstruppen, fragte der Großfürſt-Obercommandant: „Wo haben Sie früher gedient ? Der Egyptier: „Unter Akif Paſcha in Alexandria. Der Großfürſt : „Ah, dann ſind wir ja Kameraden, denn ih war au< eine Zeit lang beim Akif Paſcha attachirt. Erinnern Sie ſi< meiner ?“ Der Araber: „Leider nein, denn damals war ih no<h niht im Dienſte. Aber ih habe gehört, daß Ew. fkaiſerlihe Hoheit bei uns lebten." Der Großfürſt: „Schade, nun ja, es iſt {hon lange her!" — Der Obercommandant fragte einen jungen Lieutenant na< ſeinem Namen. Aber dieſer hatte ihn no< niht ausgeſprohen, als Großfürſt Nikolaus Sohn beinahe freudig ausrief: „Ah, ih kenne Sie! Jh habe Sie im zweiten Gefechte bei Kaſanlik geſehen; Sie haben in der erſten Reihe gekämpft, haben ſi< na< dem dritten Sturmſignale unſererſeits den Berg hinuntergeſtürzt und ſi< dann mit ihren Leuten auf die gegenüberliegende Anhöhe geworfen, und uns von da fräftig beſchoſſen. Nicht E Jh habe mir Jhre Phyſiognomie gut gemerkt!“ Der Offizier : „Sehr wohl, Hoheit; aber auch ihre Kühnheit iſt mix nit entgangen", Der Großfürſt-Vater : „Um ſo beſſer, dann kennt Jhr Euch gegenſeitig; aber jezt genug davon. Sie, Herr Geiſtlicher (zum Jmam), woher ſind Sie?" Der Fmam: „Aus Tirnowa, hier allgemein bekannt“. Der Großfürſt: „Sagen Sie mir gefällig, iſ bei Jhrer Armee die Ordre erlaſſen worden, unſeren Gefangenen und Verwundeten die Köpfe abzuſ<hneiden?“ Der Jmam: „Ein ſolcher Befehl iſt niht erlaſſen worden“. Der Großfürſt: „Aber wix haben am Berge einen großen Haufen abgeſchnittener Köpfe unſerer Soldaten gefunden ?* Der Jmam: „Das kann ih wohl nicht beſtreiten, aber ſicher weiß ih, daß ein ſolcher Befehl niht ergangen iſt."

In dieſem Tone bewegte ſi die Unterhaltung weiter und dauerte eine volle Stunde. Strategiſche Fragen wurden wenige geſtellt und auh dieſe unzureichend beantwortet. Am folgenden Tage wurden die gefangenen türkiſhen Offiziere protokollariſh einvernommen und dann über Bukareſt weiter na<h Rußland escortirt.

Die gefangene türkiſhe Mannſchaft machte hier allgemein einen beſſeren Eindru> als ihre Offiziere. Sie lachte und ſang und grüßte die ruſſiſhen Soldaten, während ihre eingebrachten

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Offiziere finſter darein ſ{hauten und nur dem Großfürſten gegenüber eine freundlihere Miene annahmen. Auch ſahen ſie durchaus nicht intelligent aus, während man unter der Nizam-Mannſchaftk viele muntere Köpfe und kluge Augen. herausfand. Dieſer am 25. Juli in Tirnowa eingebrachte Gefangenentrans8port war aus allen möglichen Truppenkörpern und Nationalitäten des Türkiſchen Reiches zuſammengewürfelt.