Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Beiſpiel, wie Midhat Paſcha den Ehrgeiz einzelner reiher Leute zu ſtaheln und für das allgemeine Wohl auszunüßen verſtand. - Djado JFlija' galt als der reiſte Mann in Gabrowa, zuglei<h aber als ſehr ſparſam. Als er nun plößlih der Gemeinde erklärte, er wolle die ſehr nothwendige Brücke über die Kozerißa auf eigene Koſten bauen laſſen, war man niht wenig erſtaunt. Midhat Paſcha hatte ihn bei einem Beſuche der Stadt mit Complimenten und der Ausſicht auf den Medſchidje-Orden dahin gebracht. Bei der vierten und leßten Kozeriza-Brü>e gelangt man an eine ſ<le<te Karawanſerei, wo Karawanen halten, die aus dem im Weſten gelegenen Selenoderwo-Dol herabgeſtiegen waren. Jhre Saumpferde tragen allerlei Holzwaaren, wie denn die Holz-Jnduſtrie von da bis weſtlich gegen Nowoſelo am Vidimo-Flüßchen ſtark verbreitet iſt. Die zerſtreute Ortſchaft Selenoderwo (Grüner Baum) trägt ihren Namen mit Recht ; ſie liegt verſte>t mitten zwiſchen dihtem Waldesgrün; Lärchen, Eichen, Buchen und andere Bäume hüllen ſie, ſoweit das Auge bli>t, auf allen Bergen ein, und kaum iſ etwas von ihr zu entde>en. Auf dem Wege iſt jedo< Alles roth, die Straße zieht über den Cerwenibreg (Rother Berg) hinan. Sein rother Thon we<ſelt dann mit gelbbraunem Kalk, bis man höher in die Region des Schiefers gelangt. Hier bedarf die Straßentrace einer bedeutenden Correctur, denn troß großer Umwege erreiht man ſtellenweiſe nur ſteil anſteigend das erſte und na< Ueberwindung - mehrerer Krümmungen das zweite hochgelegene Blockhaus „BasBeklemeh“. Ein heftiges Unwetter veranlaßt niht ſelten den Reiſenden, von dieſem Blochauſe, das niht Schuß für Alle bietet, na< dem tief unten in einem öſtlihen Seitenthale liegenden Kloſter Sveti-Sokol zu wandern. Am folgenden Morgen zieht er dann denſelben Weg, den er vor zwölf Stunden herabgekommen, aufwärts dur prächtigen Wald. Jn halber Höhe ſchlägt er einen ſüdliheren Fußpfad ein und erreicht ſo die Paßſtraße beim „Marko-Kralski-Grad-Bair“, welcher bereits oberhalb des zweiten Bas-Beklemeh liegt und eine überraſhend weite Fernſicht gegen Norden bietet. — Die Karaul-Beſaßung fommt, ſobald ſie des Reiſenden anſihtig wird, zu ihm herauf; ſo giebt es der Führer genug, und na< kurzer Orientirung vermag man die Terrain-Aufnahme mit dem Höhen-Profil zu beginnen. Je mehr man aber in die Geheimniſſe des weit ſi< ausbreitenden Terrains eindringt, deſto klarer erſcheint die hohe Bedeutung des Schipka-Balkan-Paſſes für den Verfehr und im Kriege. Jndem wir den Hauptweg entlang des Kozeriza-Baches bis Gabrowa verfolgen, ſehen wir ihn dort deutli<h in zwei Straßenzügen ſi< fortſeßen, von welchen der eine über Selvi, Lowaß und Plewna beinahe in ge-

rader Linie gegen die Donau und Kleine Walaqei führt, während der zweite über Drenowa und Tirnowa die directeſte Verbindungslinie einerſeits nah Ruſtſchuk und Bukareſt, dann über Os8man-Bazar und Esfki-Djuma na< Shumla bildet. Ohne die Tragweite eines feindli<hen Vorſtoßes gegen die Central-Türkei (wie er ja in unſeren Tagen ausgeführt wurde), welcher die weſtlihe walachiſche Tiefebene zu ſeiner Operations-Baſis mate, hier in Erwägung ziehen zu wollen, muß doh bemerkt werden, daß der leiht paſſirbare Schipka-Paß durc das vorherrſchende riſtlihe Weſt-Bulgarien über den Balkan in das Herz der Türkei, in das Marita-Be>en nah Philippopel und Adrianopel führt und ſomit auh für den Handelsverkehr hohe Beachtung verdient. Jedoch ließ die Straße nah dem Paſſe heim Beſuche vor wenigen Jahren noh viel zu wünſchen übrig, wennglei<h {hon damals ihre vom Bedürfniſſe geforderte Verbeſſerung faum länger verzögert werden fonnte.

Von dem 1207 Meter hohen Marko-KralskiBair wird behauptet, daß der berühmteſte ſüdſlaviſhe National - Heros Marko dort den Balkan-Paß gehütet habe; Reſte einſtiger Mauern finden ſi<h no< vor. Von hier ſteigt man über rothen Schieferthon und Mergel die zahmen Krummlinien der dur< Telegraphenſtangen marfirten Straße aufwärts zur um etwa 200 Meter höheren Paß-Einſattelung, welhe nah dem am Balkan-Südfuße gelegenen Schipka genannt wird. Kaum hat man ihren ſhmalen ſcharfen Rücken erreicht, als vor dem Blicke das traciſche Schiras, das vielgeprieſene „Roſenbe>en von Kaſanlik“ plögli<h auftaucht. Mit Einem S<lage, unſagbar, überraſhend, weil ganz unvermittelt, führt der Shipka-Paß den von Norden heraufſteigenden Wanderer in zwei verſchiedene Welten, in zwei Gebiete mit vollkommen veränderter Landſchaft, Vegetation und Bevölkerung. Vom Schipka - Kamme gegen Norden ſieht man eine Natur, welhe dem Menſchen den harten Kampf um's Daſein auferlegt; gegen Süden verwandelt ſie ſi< aber in eine Zone reiſten Segens. und maleriſcheſten Reizes. Nach Norden zeigen Berge und Thäler überall eintönig grünes Weideland zwiſchen Eichen- und Buchenwäldern, in denen man nur mit Mühe einen der verſte>ten, mit Kalkplatten gede>ten ärmlihen Weiler der bulgariſchen Gebirgsbewohner entde>t. Ganz anders im Süden. Jn mähtiger Tiefe erſcheint das rieſige, ſeiner Schönheit wegen berühmte Tekne von Kaſanlik, eine von ſanft gewellten Bergen gegen Südweſtſtürme geſiherte Ebene, erfüllt von Roſengärten und Saatfeldern, zwiſchen welchen, von leuchtenden Waſſerbändern durhzogen und von mächtigen Nußbaumgruppen beſchattet, zahlreihe osmaniſhe Ortſchaften mit rothen Ziegeldähern und weißen Minarets ein-