Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

ladend zum Beſuche reizen. Die Gegenſätze auf der Schipka-Höhe ſpotten aller Schilderung. Durch Zauber wähnt man ſi< von Europa nach Kleinaſien verſeßt.

Thalabwärts geht der Weg zuerſt in Ser-

pentinen (Schlangentreppen), dann aber in einer wenig gewundenen, ſteil abfallenden Linie auf ſehr abſhüſſiger Bahn. Verwitterte, graugrüne, gebogene und ſteil aufgerihtete Phyllit-(Pflanzenſtein-)Blö>e wecſellagern mit Chlorit (lauhgrüner Kalkſtein) und Kalkthonſchiefern, dann folgt Hornblende-Phyllit. — Während man von Gabrowa für den nördlihen Aufſtieg zum etwa 600 Meter höheren Kamme 4"/, Stunden Ritt rehnet, dauert der Abſtieg von dieſem nah dem beiläufig bei 700 Meter tiefer gelegenen Dorfe Schipka am Südfuße höchſtens eine Stunde. Die Straße iſ für Wagen ſ{<wer paſſirbar. Leicht ließe ſi< ihre Trace durh zwe>mäßige Correcturen bedeutend verbeſſern. __ Sqhipka iſt ein großes Dorf mit 800 bulgariſhen Häuſern und zwei Kirchen. Sein nördliher Theil zieht fi< vom Fuße des Balkans in 548 Meter Seehöhe tief in eine waldige Schlucht hinein. Südlich breiten . ſich die weiten Roſenculturen aus, welchen es ſeinen großen Wohlſtand verdankt. Auf halbem Wege nah Kaſanlif liegt zwiſhen Roſengärthen und Nußbaumwäldchen verſte>t das maleriſ<h ſhöne, ausſhließli< von Osmauli bewohnte H anfiö i. Von Scipka bis Hankiöi re<hnet man eine Stunde. Eine weitere führt fortwährend zwiſchen einzelnen Nußbaumbeſtänden mit oft wunderbaren Kronen in das berühmte Kaſanlik. Wie wunderbar prächtig das Thal von Kaſanlik iſt, dafür ſpricht ſhon, daß von den 123 traciſhen Orten, welche die Roſenölproduction als Hausinduſtrie betreiben, 42 ihm angehören, und daß von 1650 Kilogramm Oel, die durchſchnittlih jährli<h im „Europäiſchen Gülliſtan“ gewonnen werden, etwa 850, alſo mehr als die Hälfte, auf dieſes entfallen. Wel? rieſiges Terrain aber die Roſencultur beanſpruht, geht daraus hervor, daß durhſcnittli<h 3200 Kilogramm Roſen erſt einen Kilogramm Oel geben.

Kaſanlik trägt den Stempel einer e<t moslimſhen Niederlaſſung. Von dem nahen nordöſtlih gelegenen Tülbe-Bair genießt man einen lohnenden Bli> auf die in einen mähtigen natürlihen Baumpark ſtellenweiſe eingehüllte minaretreihe Stadt. — Dank ihrer centralen Lage, gelangte ſie zu bedeutender Blüthe. Zwei Straßen verbinden ſie mit dem großen MarißaBeen, und der ganze Verkehr zwiſchen der Donau und den handelsthätigen Gebieten von Philipp opel und Eski-Saghra bewegt ſi nothwendigerweiſe auf der einzigen für Wagen prakticablen Balkanſtraße über Gabrowa und Schipka nah Kaſanlik, und dieſe ſihert demſel-

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ben ſeine große Bedeutung. Anfangs der Siebziger Fahre zählte die Stadt in runder Zahl 21.000 Einwohner. Die Seehöhe der Stadt wird mit 339 Meter angegeben. :

Nach einem unfreiwilligen Stillſtande- vo drei Wochen hatte nun die kriegeriſche Action von Seite der Türken wieder begonnen. Und zwar richtete ſi< dieſelbe zunächſt auf die Wiedereroberung des Balkans, welcher durch die kühne Fnvaſion General Gurko's am 16. Juli und die Einnahme des Schi pka-Paſſes in die Hände der Ruſſen gefallen war,

Die militäriſche Situation, welche der Action zu Grunde lag, war nun folgende: Die ruſſiſche Aufſtellung hielt einen Kreisbogen inne, welcher von Nikopolis über Treſtenik, Poradim, Vladina, Selvi, Tirnowa, Kozarewaß, Kaceljewo und Pyrgos beiderſeits zur Donau reihte, mit einer Ausdehnung von 24 Meilen. Südlih dieſer Aufſtellung war die ruſſiſhe Avantgarde-Diviſion Gurko, deren Commando ſpäter General Ka mcinsfi führte, nah Schipka und Hankiöi ſieben Meilen über den Balkan vorgeſchoben und hielt die beiden Päße in wohlverſhanzten Höhenpoſitionen beſegt. Aus dieſer keilförmigen Stellung, deren Spiße die türkiſhen Operationslinien ſüdli< bedroht, konnte die ruſſiſche nördlih des Balkans ſiegende Armee jeden Augenbli> wieder hervorbre<hen und die Verbindungen der geſhlagenen türkiſhen Armee mit Conſtantinopel abſchneiden. Um dieſe Gefahr zu“ beſeitigen, waren nun die türkiſchen Angriffsoperationen auf die Wiedereroberung des Schipka-Paſſes und der andern Hohlwegpoſitionen ſüdli<h Tirnowa gerichtet.

Es war nun allerdings richtig, daß die Türken es niht nöthig hatten, bei Schipka den Stier bei den Hörnern zu faſſen und den Zwe> der Vertreibung der Ruſſen aus den Päſſen viel leiter und ſicherer dur< einen gelungenen Angriff auf Tirnowa von Seite der Armee O8man und.

“ Mehemed AliPaſchas hätten erreichen können.

Jn dieſer Abſiht war auch ein großer Theil der türfiſhen Südarmee unter Suleiman Paſha über Twarditſha und Sliwno zur Armee M eh emed Ali's gezogen worden und hatte mit dieſer zwiſchen Elena und Osman-Bazar die Verbindung hergeſtellt, Jn Jamboli wurde ein Verpflegsdepot aufgeſchlagen, welhes Suleiman Paſha bei den bevorſtehenden Angriffsoperationen gegen Tirnowa dienen ſollte. Denno<h ſchien man im türkiſhen Hauptquartier im. leßten Augenblicke wieder anderen Sinnes geworden zu ſein und dieſelben bis na<h der Eroberung der Bälkan-Päſſe verſhoben zu haben. ;

Mittwo<h Morgens erfuhr man im faiſexlihen Hauptquartier in Gorni-Studen,: daß: Suleiman Paſcha mit 40 Bataillonen, nahdem er einen Angriff auf den Haukidi-Paß ver-

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