Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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lange, ſo lehrte ein fur<tbares Musketenfeuer, daß die Kämpfer an einander gerathen waren und der Angriff mit allem Ungeſtüm begonnen hatte.

Die Ruſſen hoben ſi< wie Jndianer unter dem Schuße der Bäume na< vorwärts, dabei beſtändig feuernd. Jn kürzeſter Zeit waren ſie innerhalb fünfzig Yards (engliſche Ellen) vor der Redoute angekommen. Hier ſtießen ſie auf Hinderniſſe, die für den Augenbli> ganz unüberwindlich waren. Die Türken hatten die Bäume rings um die Redoute gefällt und ſo Verhaue gebildet. Die Ruſſen verſammelten ſi< am Waldrande, unter dem Schuße der Bäume, und machten dann plößlih einen raſ<hen Vorſtoß, wurden aber mit entſeßlihen Verluſten zurückgeworfen. Die Soldaten verwi>elten ſi< in den Maſſen von Strauchwerk, Baumſtümpfen und Aeſten, während die Türken ſie mit einem Kugelregen überſchütteten und wie Gras niedermähten. Von dieſem erſten Angriff auf die türkiſhe Redoute find nur ſehr Wenige zurü>gekehrt, das ſhaudernd Erlebte zu erzählen.

Radeßt ky ſhi>te Verſtärkungen. Der Angriff begann von neuem; er ſchien dem Gelingen nahe, denn der Oberſt, der die Truppen anführte, ſagte, daß er die Redoute nehmen könne, wenn ihm die nöthigen Reſerven gegeben würden. Der dieſe leßtere befehligende Offizier ließ dieſelben abgehen ; ſie wurden aber denno< zurü>geworfen. Jett ſtieg Radebky zu Pferde und ritt na< dem Gefechtsfeld, begleitet von einem Theil ſeines Stabes. Der Chef des letzteren, General Di mitriowsky zu Fuß, barhäuptig und unterſtützt dur< zwei Mann, hatte ſi< ſelbſt an die Spibe eines Bataillons geſtellt, um den Sturm zu leiten. Eine Granate hatte den Boden neben ihm aufgewühlt, den General mit Erde überſchüttet, ihn niedergeworfen und für einige Minuten beſinnungslos gemacht. Der Angriff dauerte fort; das Feuer wurde entſeblih.

Die Ruſſen drangen unaufhaltſam vorwärts. Sie ſtürmten über die Hinderniſſe hinweg, drangen ſogar in die Batterie ein und hatten dieſelbe einige Secunden inne, dann aber wurden ſie wieder hinausgeworfen. Sie umringten den Plat von allen Seiten und überſchütteten ihn mit einem verheerenden Feuer, wurden aber neuerdings zurü>geſ<lagen. Mittlerweile begannen die Türken, die Ruſſen in der Front und im Rü>en anzugreifen. Die Verwundeten kamen fortwährend haufenweiſe vom Kampfplate zurü>k, mit Verleßungen am Kopfe, an den Armen oder im Leibe. Manche von ihnen lagen auf Tragbetten ; einer wurde von ſeinem Kameraden aus dem Gewühl auf den Armen fortgetragen; andere ſ<leppten ſih allein fort.

Dex Kampf wurde bis ſpät in die Nacht hinein geführt und während der ganzen Zeit dauerte die Rückkehr der Verwundeten unausgeſeßt fort.

Der Angriff war erfolglos geweſen!

Die Hälfte der Truppen, welche die Aufgabe hatte, die Türken zurü>zutreiben, wurden nah vierſtündigem Kampfe aufgerieben. — Derſelbe endete beiläufig um 11 Uhr Nachts. Um 9*/, Uhr Sonntag Morgens (26.) griffen die Türken die Ruſſen an und trieben ſie in ihre Verſchanzungen, welche ſie nun im Schipka-Paße hielten. Es beſteht kein Zweifel, daß die Ruſſen den SchipkaPaß halten hätten können, aber ein Telegramm des Großfürſten meldete, daß die Türken auf den Hügeln an der ruſſiſhen Rechten Batterien bauen, wodur< der Bortheil, welchen die Ruſſen dur die Umgehung der türkiſchen Linken erreiht haben mochten, paralyſirt worden waren. Der von den Ruſſen erlittene Verluſte wurde auf 7000 Getödtete und Verwundete, jener der Türken auf 22.000 geſ<häßt. Der von den unbeerdigten Leichen entſtandene Geſtank war auf den Hügeln rings des Schipka-Paßes völlig unerträglich.

Am 29. Auguſt fuhr Suleiman Paſcha fort, den Feind zu blokiren, und bedrohte ſeinen Rückzug über die Straße von Gahbrowa., Auch am 30. wurde das Artilleriefeuer fortgeſetzt; zwiſchen den feindli<hen Vorpoſten ward beſtändig Kleingewehrfeuer gewe<ſelt. Durch eine Recognoscirung in der Richtung von Gabrowa wurde feſtgeſtellt, daß die Ruſſen Eihil Agat #<, drei Wegſtunden ſüdli<h von erſterem Orte, occupirten.

Während im Schipka-Paſſedie Kämpfe wütheten, fand auh zu gleiher Zeit bei Ajaslar ein dreitägiges Treffen ſtatt. Am 22. Auguſt, um 6 Uhr Abends, nachdem die Ruſſen von Ajaslar aus zahlreiche Verſtärkungen an ſi< zogen, poſtirten ſie ihre Artillerie bei dem Dorfe Cikardana gegenüber Sultankiöi, welches ſih no< an dem reten Lom-Ufer befindet, und beſchoßen die Türken aus 16 Geſhüßen dur< dritthalb Stunden, worauf die ruſſiſhe Jnfanterie na< Entwi>lung ihrer Colonnen zum Sturme ſhritt. Die Türk en ließen ſie bis auf 500 Schritte herankommen, dann demasfirten ſie ihre Batterien, welche den Feind in ein fur<tbares Kreuzfeuer nahmen. Die Ruſſen zogen ſih in Folge deſſen zurü>. Nach halbſtündiger Pauſe bei mondheller Naht wurde von ihnen mil friſhen Truppen der Sturm erneuert und abe rmals abgewieſen. Um Mitternacht machten die Ruſſen einen leßten Verſuch, wobei troy furchtbaren Verluſten ſie bis nahe zu den Verſchanzungen vordrangen. Diesmal waren die Türken niht zu halten. Das ſechſte türkiſhe Garde-Jäger-Bataillon ſtürzte fich mit dem Bajonnet auf die ruſſihen Sturmcolonnen und warf ſie nah einem nur fünf Minuten dauernden Handgemenge mit Ungeſtüm den Berg hinab. Auch der linke, von Labyt Paſcha commandirte Flügel war gleichzeitig nah einem einleitenden Artilleriekampfe dur< eine von Kutſhufföi vordringende ruſſiſche Brigade angegriffen worden, do< wurde hier gleichfalls der Feind zurü>getriehen,