Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Die Operationen am Íom und die $<la<t bei Karaßaſſankiösi.

Der Beginn der Offenſive von Seite des neuernannten Serdars Mehemed Ali lenkte ſelbſtverſtändlih die Aufmerkſamkeit auf ſich. Der Serdar der türkiſchen Hauptarmee, ein ſ{lank gebauter Mann mit einem angenehmen Exterieur, voll Leben und Kraft, galt als energiſ<h in hohem Grad und, wie man ſagte, war er niht blos dur< und dur< Soldat, ſondern au<h ein competenter General. Als Mehemed Ali in's Lager kam, fand er die Dinge durhaus nicht in dem Zuſtande, wie fie ſein ſollten. Fun der elften Stunde berufen, hatte er eine {<wierige Aufgabe vor ſi<, und niht das ſ{<limmſte Element, welches er zu bekämpfen hatte, war das Gefühl der Gedrütheit und Entmuthigung, wel<es ſi< der ganzen Armee bemächtigt hatte. Groß war das Erſtaunen, als er mit einem Stab von acht fremden Offizieren eintraf. Ein Serdar von 40 Jahren! Ein Stab von energiſchen, thätigen, geſprächigen Fremden, die in der Hibe und dem Staub der Mittagsfonne umhergalopirten, JFdeen zu haben und, was no< mehr, geneigt ſchienen, ſie unmittelbar au8zuführen — was fonnte da nicht Alles geſchehen ?

Und ſeit jenem Tage war auch viel geſchehen. Märſche und Gegenmärſhe, Revuen, Beſichtigungen ſtanden an der Tage8ordnung, bis die noh unlängſt ſo ſchlaffen Legionen von Schumla endlich von all dem Feuer des kriegeriſhen Lebens aufgeregt wurden und mit Bewunderung und Neid von den Thaten ihrer Waffenbrüder bei Plewna hörten. Friſhe Truppen marſchirten beſtändig von Conſtantinopel an, und es war nur zu verwundern, woher dieſer endloſe Menſchenſtrom fam. Gleich anfangs waren 14 Bataillone Fnfanterie, drei Diviſionen Cavallerie und zwei Batterien Artillerie angelangt und, was noh mehr iſt, das dauerte no< Wochen ſo fort.

Der Unterſchied zwiſchen dieſen und allen anderen bisher geſehenen Türken fiel jedem ſogleich auf. ‘Ueberall gewahrte man mit Vergnügen den trefflihen Geiſt und die Geſundheit der Soldaten in den ruſſiſhen Cantonnements. Sie ſehnten ſi< augenſcheinli<h na< einer Gelegenheit, es der Plewna-Armee in Thaten gleih zu thun, und der Obercommandant ſchien durhaus nicht der Mann, dieſen Geiſt zu dämpfen. Seine Generale und Soldaten ſchienen volles Vertrauen auf ihn zu ſehen, was an und für ſi<h ein großes Element der Stärke iſt, und die DonauArmee befand ſi< in jenem Zuſtand von Kampfſuſt, von dem man gute Reſultate erwarten fonnte. ö

Ein Bli> auf die Karte lehrt, daß Es kiDjuma der Punkt iſt, wel<her in der Mitte jener Linie liegt, die von einer Armee beſebt

ſein würde, welche ſi< von Rasgrad nah OsmanBazar ausbreitet und auf das befeſtigte Lager von Schumla ſtützt. Die Türken hatten an dieſem Punkte ein verſhanztes Lager angelegt und eine beträhtlihe Streitmahl von allen Waffengattungen angeſammelt. Sie hatten ferner eine vorgeſhobene Stellung bei Kebir-Fenikiöi, ungefähr 13 engliſhe Meilen nordweſtli<h von Esfi-Djuma, eingenommen, I

Wenn man ſeinen Standpunkt in Mehemedkiöi nimmt und weſtli< gegen die ruſſiſhen Vorpoſten gegenüber von Popkiöi bli>t, breitet ſich zu den Füßen ein {<önes Thal aus, welches von Hügeln eingefaßt iſt, die meiſtens mit dichtem Geſtrüpp bewachſen ſind und von einem ungefähr eine engliſhe Meile weſtli<h von Sarnaſuflar gelegenen Punkt dur<h Fenikiöi und Mehemedkiöi bei Tekekiöi und Sepeci vorüber zu Kizilar und Balü>-Tepe ziehen. Es braucht niht viel Nachdenken, um die Wichtigkeit dieſer Poſition einzuſehen, und umſo auffallender war es, daß die Ruſſen nie davon Beſitz ergriffen haben.

Der Jntelligenz eines Tſherkeſſen-Häuptlings war es zu verdanken, daß dieſe natürlihe Feſtung von den Türken beſeßt wurde. Als er in dieſen Tagen auf einem Streifzuge dur< dieſes Thal kam, fiel ihm die Wichtigkeit der Poſition ſo auf, daß er Beſiß von ihr ergriff und ſih ſogleih verſhanzte und um Verſtärkungen na< Djuma ſci>te. Glücklicherweiſe erhielt er dieſelben und es befand ſi< bald eine genügende Streitmacht dort, um ein plößlihes Vordringen der Ruſſen in dieſer Nichtung zu verhindern und ſie, für den Fall, als ſie in beträchtliher Stärke angreifen ſollten, ſo lange in Shah zu halten, bis Verſtärkungen vom linken Flügel der bei Rasgrad ſtehenden Armee anlangen konnte. Am Morgen des 21. Auguſt ſchienen übrigens die Ruſſen plößli<h ihr Verſehen gewahr geworden zu ſein, denn ſie rü>ten in zwei Colonnen vor, und es gelang ihnen ohne alle Shwierigfkeit, die türkiſchen Vorpoſten vor Balüc-Tepe und Sarnaſuflar zu verjagen. Sie ſchienen jedo<h ſowohl bezüglih der natürlihen Stärke des Plaßes, als der Zahl der Feinde ſehr ſ{<le<t unterrihtet geweſen zu ſein, denn die Kanonade einer einzigen Batterie hielt ſie vollkommen auf, und dann nahmen die Türken mit einem kräftigen Vorſtoß mit dem Bajonnet ihre vorgeſhobenen Poſitionen wieder, worauf die Ruſſen ſi<h zurü>zogen. Die Türken verloren ungefähr 60 Todte und Verwundete. Nach dem von den Ruſſen in achttägigen Kämpfen am Schipka-Paſſe rühmli<h abge\<lagenen Angriff Suleiman Paſchas, welcher dieſen zwang, am Ausgange desſelben BVertheidi-