Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

die Soldaten ermunternd, ihnen ſagend, Hilfe würde bald anfommen; Plewna würde bald genommen werden; der Sieg würde bald ihre Anſtrengungen krönen; es ſei der lette entſcheidende Schlag, der für ihr Land, für die Ehre und Ruhm der ruſſiſhen Waffen geführt würde. Er ſendete na< Verſtärkungen und benachrihtigte den Com-

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mandanten en chef, daß die Poſition unhaltbar -

ſei. Der Nachmittag verſtri<h, und es kamen feine Verſtärkungen. General Lew i $ ky verweigerte förmli<h Verſtärkungen. General Krilow ſendete auf ſeine eigene Verantwortlichkeit die Ueberreſte eines Regimentes, aber es kam zu ſpät an. General Skobeleff hatte um vier Uhr die Redoute verlaſſen, um ſi<h na< ſeinem Zelte zu begeben. Er weilte daſelbſt eine Stunde, als er die Meldung erhielt, daß die Türken wiederum die rechte Flanke auf der Straße na< Lowtſha unmittelhar über Plewna angriſſen; er galopirte vorwärts, um ſi< ſelb davon zu überzeugen, und begegnete einer Ordonnanz mit der Nachricht, daß die Türken die Redoute zum ſe< ſten Male angriffen; er jagte auf die Redoute zu, in der Hoffnung, ſie rehtzeitig zu erreichen, aber er begegnete einem Strom ſeiner eigenen reterirenden Mannſchaften. Sie waren dur< einen ahtundvierzigſtündigen Kampf erſ<höpft, abgemattet, hungrig und vergehend vor Durſt und Müdigkeit. Jn Folge der Unthätigkeit dex Ruſſen während des Tages waren die Türken in den Stand geſeßt worden, eine überwältigende Macht anzuſammeln, welche eine leßte verzweifelte An\ſtrengung gemacht hatte, und der es gelungen war, die Ruſſen zu vertreiben. Eine Baſtion wurde bis zuleßt von einem jungen Offizier, mit einer Handvoll Mannſchaſten behauptet. Sie weigerten ſi<h, zu fliehen, und wurden bis auf den leßten Mann niedergemacht. General Skob eleff war in einem fürhterli<hen Zuſtande der Aufregung und Wuth. Seine Uniform war mit Staub und Koth bede>t, ſein Degen zerbrochen, ſein Georgs-Kreuz auf die Schulter verſchoben, ſein Geſicht ſ<hwarz von Pulver und Rauh, ſeine Augen wild unterlaufen und ſeine Stimme ver\{<wunden. Er war völlig heiſer. Niemals vorher ſah man ein ſol<hes „S<hlachtenbild“. Fn ſeinem Zelte Abends war er aber wieder völlig ruhig und gefaßt. Er ſagte: „Jh habe mein Beſtes gethan; ih konnte niht mehr thun. Mein Detachement iſt halb vernichtet; meine Regimenter exiſtiren niht mehr, es ſind mir keine Offiziere zurü>geblieben; man ſendete mir keine Verſtärfungen, und ih habe drei Kanonen verloren.“ Es waren drei oder vier Kanonen, welche er in die Redoute placirte, als er ſie genommen, und ſeine Truppen waren nur im Stande geweſen, einige wegzuführen. „Warum verweigerte man JFhnen Verſtärkungen?“ fragte man ihn. „Wer iſt zu tadeln?“ — „J< tadle Niemanden!“ er-

widerte er. So endete die ſe<stägige Schlacht von Plewna vom 7. bis 12. September, mit einer vollſtändigen Niederlage der Ruſſen.

Die erneuerte Offenſive gegen Plewna hätte nux einen Sinn gehabt, wenn dieſelbe von den Ruſſen gleichzeitig von allen Seiten eingeleitet worden wäre. So aber ließ Großfürſt Nikolaus zuerſt das Armeecorps des Generals Sha<owskoi nußlos ſi gegen einen überlegenen Feind bei Lowtſha verbluten, um ſodann im unbeſchränkten Vertrauen auf die numeriſche Ueberlegenheit ſeiner eigenen Streitfräfte no<hmals in derſelben Weiſe. gegen die feſten türkiſhen Stellungen bei Plewna vorzugehen, die {hon zweimal für ſein Heer verhängnißvoll geweſen.

Am erſten Schlachttage konnte es noh zweifelhaft ſein, wel<hem der beiden Gegner die Palme des Sieges gehörte, obwohl man bereits wußte, daß es den Ruſſen wohl gelungen war, einige vorgeſhobene Poſitionen zu erobern, daß jedo< alle ihre Angriffe auf die türkiſhe Hauptpoſition geſcheitert waren. Man konnte {hon am erſten Tage die für die Ruſſen ungünſtige Lage der Dinge vor Plewna erkennen. .

Allein erſt am zweiten Schlachttage war der Zweck der ruſſiſhen Angriffe auf die Poſition von Plewna klar geworden. — Die Angriffe, welche die vereinigten Ruſſen und Rumänen am 11. in der Front gegen die Grivitza-Poſition ausführten, hatten den Zwe>, niht nur dieſe weit vorgeſhobenen Redouten zu erobern, ſondern auh die Haupt-Vertheidigungsfront der Türken öſtli<h Plewna zu forciren. Gleichzeitig ſollte Skobeleff die Rüczugslinie der Türken na< Sofia abſchneiden und die Cernirung von Plewna zur Thatſahe machen. Zu dieſem Zwe>e mußte das weſtli<h der Straße LowtſchaPlewna operirende ruſſiſ<he Südcorps die vorge\<hobenen türfiſhen Verſhanzungen nehmen, die türkfiſhen Truppen hinter ihre Haupt-Vertheidigung8werke werfen, dann den Widfluß überſchreiten und die Straße na<h Sofia beſeten. Gleichzeitig ſollte die rumäniſche Cavallerie nordweſtli< Plewna vorrü>en, ſi< mit Skobeleff auf dem linken Ufer des Widflußes vereinigen und ſo die Cernirung der Poſition Osman Paſchas, welche auf der Oſtſeite bereits Thatſahe war, au< auf der Weſtſeite vollenden.

Die Bilanz des erſten Schlachttages war, daß die rumäniſhe Cavallerie, welche ſi<h bis Etropol und Opanes, nördli< von Plewna, vor-< gewagt hatte, von der türkiſhen Reiterei zurügeworfen ward, wodur<h der Cernirungsplan allerdings ſhon Dienſtag den 11. ein Loh erhielt. Dagegen gelang es General Skobeleff mit der ſüdlihen Umgehungs-Colonne, drei Redouten zu nehmen, den Wid zu überſchreiten und