Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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ſih der Straße von Sofia zu nähern. Es ſchien nämli<h, als wenn Os8man Paſcha am 11. als tüchtiger Taktiker, ſeine ganze Aufmerkſamkeit dem Frontangriffe der Ruſſen, welher mit dem Gros der Armee unternommen wurde, zugewendet hätte. Jn richtiger Würdigung der Verhältniſſe und in Berückſichtigung der ſowohl ſtrategiſhen als au< taftiſhen Wahrheit, daß eine Umgehung ihm, dem in einer befeſtigten Poſition Stehenden, nux dann gefährlih werden konnte, wenn er in der Front dur die ruſſiſche Hauptmacht geſhlagen würde, widmete Os8man ſeine ganze Fürſorge ſeiner Front zu, wo es ihm, wenn er au< den Verluſt der GrivigtaRedoute niht abwenden konnte, do< wenigſtens gelungen war, den ruſſiſchen Angriff an der Hauptverſchanzungslinie zum Stillſtand zu bringen und das moraliſche Element der Angreifer dur die ihnen beigebrachten rieſigen Verluſte bleibend zu erſhüttern.

Mit dieſem für die Türken gewiß günſtigen _ Reſultate \{loß der erſte Schlahttag ab. Die Rumänen des 4. und 9. ruſſiſhen Corps, welche am 11. den Kampf in der Front geführt hatten, waren ſto hergenommen, daß Osman Paſcha auf dieſer Seite eine Wiederholung des Angriffes niht zu beſorgen hatte. Er konnte daher einen Theil ſeiner Truppen von hier wegziehen und ſie im Laufe der Nacht gegen die 20.000 Mann ſtarke Umgehungs-Colonne Sk obeleff's dirigiren und dieſelbe am 12. Morgens angreifen. Dieſe Schlacht hatte hauptſählih in der Umgebung von Dubnik gewüthet und erſt na< fünf fruchtloſen Angriffen war es den Türken gelungen, Sfkobéleff aus allen Poſitionen, die er am Vortage erobert hatte, zu verjagen. Das ruſſiſ<h-rumäniſhe Hauptcorps im Centrum bei Grivißza und Radiſewo war in Folge der am vorhergehenden Tage erlittenen Verluſte niht einmal im Stande, Sfkobeleff dur< eine veränderte Richtung zu Hilfe zu fommen, ſo vollſtändig war es durc die zahlreichen reſultatloſen Angriffe erſchüttert worden. Andererſeits ſah man dieſelben Türken, welhe am vorherigen Tage unzählige Stürme abgeſchlagen hatten, bereits Tags darauf in die Offenſive übergehen und die Skobele ff’ {he UmgehungsColonne vollſtändig zurü>werfen. Dieſe eine Thatſache bewies ſhon an und für ſi, daß auh am erſten Kampftage niht die Türken, ſondern die Ruſſen den Kürzern gezogen hatten.

Die geſchi>te taktiſhe Führung Osman Paſchas war vorzüglih. Dagegen mußte die Gefehtsleitung auf ruſſiſher Seite als total verfehlt bezeihnet werden. Man wollte in Plewna ein ſlaviſ<hes Sedan haben und daher den Feind umgehen und umzingeln.

Man hätte gleichzeitig in der Front angreifen und dur< eine Umgehung den türkiſchen

Rückzug abſchneiden können. Bei Plewna war jedo<h gerade das Gegentheil der Fall. Auf demſelben Plate, wo am 11. ſo viel Blut vergoſſen wurde, hatten dieſelben braven türkiſchen Truppen bereits einmal die Ruſſen laufen geſehen. Feder einzelne türkiſhe Soldat wußte, daß Ausharren auf ſeinem Poſten ihm den Sieg bringen werde. Außerdem waren die Ruſſen viel zu <hwa<h um eine beinahe glei< ſtarke Armee in der Front angreifen und gleichzeitig in Flanke und Rücken umgehen zu können.

Was den ruſſiſhen Generalen an geiſtigen Fähigkeiten zur geſchi>ten Leitung der Operationen abging, das ſuchten ſie in der Zahl der Hinterlader dur< die rohe Kraft zu erſetzen. Unbefümmert um die entſeßlichen Verluſte, wurden unter den Augen des humanen Czars Alexander II. Bataillone auf Bataillone gegen die Tod und Verderben ſpeienden türkiſhen Befeſtigungen geworfen. Hekatomben von armen braven Soldaten bede>ten bereits das Schlachtfeld, was ſchadete es? Rußland hatte ja 80 Millionen Einwohner. Fmmer neue Bataillone wurden den vorderen nahgeſchi>t, Leihen thürmten ſi< auf Leichen, vergebens! Die Ueberlebenden erhielten das Georgs-Kreuz, das ſo wohlfeil wurde wie Brombeeren, der geſhlagene General einen goldenen Ehrenſäbel und eine neue Recrutirung de>te die rieſigen Verluſte.

Nußland aber fühlte ſeine erlittene Shmahh.

Die Türken haben von jeher viel <riſtlihes Fürſtenblut vergoſſen; aber niemals haben fie einem <hriſtlichen Fürſten eine ſolhe Demüthigung bereitet wie dem Kaiſer Alexander II. Da ſaß er auf der Tribüne, die man für ihn auf einer Anhöhe errichtet hatte, und betrachtete an ſeinem Namenstage den Gang der Slat. Das Auge des Czaren verſcheu<ht jedes Zagen und jede Vorſicht.

Regiment na< Regiment beſiegelte todtveractend mit ſeinem Untergange des Tages blutige Weihe, bis der Czar, ermüdet vom Anſchauen der Todten und Verwundeten, die Tribüne verließ, ohne Zeuge eines Erfolges geweſen zu ſein. Des Morgens erſt brachte ihm ein Adjutant die Siegesbotſchaft, und der Czar eilte auf den Hügel zurü>, um Zeuge der ſ<hmerzli<ſten Niederlage zu ſein. Unter furhtbaren Verluſten wurden die Poſitionen wieder aufgegeben, die man Tags vorher mit glei< großen Opfern genommen hatte. Gewiß war es grauſamer Troß, tyrannenhafter Uebermuth, daß man gerade am Namenstage des Czaren Tauſende auf die Shlachtbank führte, um das Unmögliche dur<zuſeßen. Ein Zug menſ<hli<hen Erbarmens wäre hier auh ein Zug der Klugheit geweſen, Der Mißbrau<h der Disciplin, die grauſame Anwendung herrſchender Gewalt hatten ſich ſelber zum Hohne gearbeitet. Hinter dem

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