Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

waren. Nitt er des Nachts, wie er zu thun gewöhnt war, blos von einem Stabsoffizier und einer Ordonnanz begleitet, die Schanzen und RNedouten ab, dann wußten ihm ſeine Leute gar herzli< Dank dafür. Gerecht bis zur Härte, wo es galt, Manneszucht zu üben und ein Vergehen zu ſtrafen, erweiſt er ſih andererſeits den Truppen gegenüber wie cin Vater, ſpriht ein freundlich

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Wort zu den Verwundeten, ermuthigt die Erxmatteten und belobt die Tapferen. Sein Beiſpiel wirkt dur< alle Reihen der Offiziere bis zum gemeinen Mann. Nie hört man ein zorniges Wort im Lager und wenn die Mannſchaft glei<h Löwen in der S<hlaht focht, ſo benahm ſie ſi< fromm wie Lämmer in den Zeiten der Ruhe.

Der Sturmangriff der türkiſ<hen Freiwilligen auf Hveti-Nikoſlai.

Wer jemals die Südſeite des Balkans zu Angeſicht bekommen hat, der wird ſi< niht vorſtellen können, daß man einen Angriff auf ſolche rieſenhaſte Stellungen mit Erfolg dur<hführen fönne. Betrachtet man die Fel8gruppen, die den Sveti-Nikolai bilden, ſo muß man blindlings zugeſtehen, daß weder der Malakow no< Düppel dieſelben an Stärke übertrafen. Die Türken halten ſi<h nun allerdings der ſämmtlichen Höhen (mit Ausnahme des Nordens) um SvetiNikolai herum bemäqhtigt, und die türkiſchen Batterien bildeten einen Halbkreis um den Engpaß von Schipka herum. Die Hauptpoſition jedo<, der umfangreihe Felſen Sveti-Nikolagi nebſt der na< Gabrowa führenden Straße, befand ſi<h noh in den Händen der Ruſſen.

Nah Süden zu fällt Sveti-Nikolai in einer Höhe von mindeſtens 150 bis 200 Fuß ſaſt ſenkre<t ab, na<h dem Südoſten und Südweſten iſt ſeine Höhe ein wenig geringer, und na< dem Nordweſten flacht ſi< der Felsrü>en allmälig, aber immer no< in ganz beträchtlicher Tiefe ab.

Hätte man am Abend des 16. September irgend Jemand mitgetheilt, daß die Türken die ſüdlihe Felswand der ruſſiſhen Stellung anzugreifen beabſichtigten, ſo würde jeder den Betreffenden unbedingt für unzure<hnungsfähig gehalten haben. Man munkelte bereits im Schipka-Lager ſeit mehreren Tagen von einem Sturmangriff auf Sveti- Nikolai; man wußte auh, daß ſi< mehrere tauſend Soldaten freiwillig zu dieſem blutigen Tanz gemeldet hatten, aber es wußte Niemand, welcher Seite der Veſte der Angriff gelten ſollte. Man mußte jeßt Fort Nikolai eine „Veſte“ nennen, denn die Ruſſen hatten von allen möglihen Punkten Forts, Schanzen, Batterien und na< Gabrowa zu ſogar ein Außenwerk errichtet. Die Einleitung zu dem Sturme bildete eine viertägige Kanonade aus allen Stü>en der Türken, welche Tag und Naht bis zum Augenbli>e des Angriffes fortgeſeßt wurde. Die Sturmcolonne beſtand aus lauter Freiwilligen und war etwa 2500 Mann ſtark, darunter höchſtens 50 Jrre-

guläre, Baſchi-Bozuks und Tſcherkeſſen. Unter dem regulären türkiſhen Militär, welches ſi< zum Sturm gemeldet und an dieſem Tage in cine Namensliſte eingeſchrieben hatte, befanden ſi au< mehrere hundert Araber aus dem türkiſcharabiſ<hen Bataillone, Sämmllihe Stürmer trugen eine weiße Binde um den linken Arm. Die Angriffs-Dispoſitionen des türkiſchen Generals waren folgende: die Freiwilligen formiren drei Colonnen, wel<he um Z!/, Uhr Morgens den Felſen von Sveti-Nikolai von drei Seiten zuglei<h unbemerkt zu erklimmen verſuchen, und zwar die erſte Colonne ihren Weg in ſüdöſtliher Richtung und verſucht den Felſen zwiſchen der ruſſiſhen Batterie und der ſüdöſtlichen Felskante zu erſteigen ; die zweite Colonne flimmt an der Südweſtkante des Felſens empor, und die dritte Colonne ſu<ht no< weiter ſüdweſtli<h dur< cine kleine Einſenkung der Felswand bis zur Höhe zu gelangen. Haben die Stürmer die Höhe gewonnen, dann ſoll ter Angriff von drei Seiten zugleih, und zwar von Oſten und Südoſten aus dur<h Nedjib Paſcha, von Süden und Südweſten aus dur< Salih Paſcha und von Weſten und Nordweſten durch Veiſſel Paſcha mit je ſe<s Bataillonen unterſtübt und zu Ende geführt werden (die betreffenden Paſchas lagerten ſtets in den bezeichneten Richtungen den Ruſſen gegenüber). Weitere vier Bataillone des Hauptlagers bilden die Reſerven und ſtehen zur etwaigen Verfügung. Der Abmarſh der Freiwilligen aus dem Hauptlager erfolgte um elf Uhr Nachts. Um bis zu den türkiſhen Stellungen im Gebirge zu gelangen, bedurfte es no< eines Marſches von zwei Stunden. Um 3!/, Uhr Früh brachen nun die Sturmcolonnen in den bezeihneten Richtungen aus den äußerſten türkiſ<hen Stellungen auf. Die erſte Colonne marſchirte aus dem Lager Nedjib Paſchas ab, ſie hatte den kürzeſten Wegz bei der zweiten Colonne befand ſi< als Freiwilliger beim Sturmangriff der engliſ<he Capitän und Major Herr Campbell; die dritte Colonne, wel<he den längſten Weg zurü>zulegen hatte, wurde dur<h Oberſt Hamdi Bey befehligt. Als