Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

brauchte. Die Armee wurde durch die in raſcher “ Reihenfolge hinter einander erfohtenen Siege in eine Stimmung verſetzt, wel<he mit dem Namen Begeiſterung, Enthuſiasmus kaum genügend bezeichnet werden kann. Sie rasten faſt vor Siegesfreude, dieſe braven Soldaten, und verfielen binnen wenigen Tagen in den ſo bedenklichen Fehler, daß ſie ſi< für unbeſiegbar hielten, daß ſie ohne Unterlaß den Marſchall beſtürmten, ſie vorwärts zu führen.

Der Serdar indeß, der ein kluger Berechner und ſtets alle Factoren abzuwägen gewohnt war, fonnte ihren Thatendurſt nicht ſtillen, und ſo blieben ſie am Fuße des Plateaus von Biela, Gewehr im Arm, murrend ſtehen. Sie begriffen niht, daß wohl erwogene Rückſicht ihren Feldherrn zwang, ihnen gerade vor dem heiß erſehnten Ziele Halt zu gebieten, und ſofort bildete ſih ein Kreis yon Unzufriedenen, welher in der Handlungsweiſe des Marſchalls andere unlautere Gründe zu erkennen glaubte und ihn ſogar des Einverſtändnuiſſes mit dem Feinde zieh. Der Serdar war zwar genau von der ſeit einiger Zeit in ſeinem Heere eingeriſſenen Mißſtimmung unterrichtet, konnte aber dieſelbe nicht dämpfen, ja dieſe Mißſtimmung erhielt dadur<h neue Nahrung, daß, nachdem die Truppen Aſſaff Paſchas na< dem Gefechte von Sinankoy in Verfolgung des Feindes den Ort Vaniha beſeßt hatten, der Serdar vernünftiger Weiſe die Räumung dieſer weit vorgeſŸobenen und deshalb gefährdeten Stellung anordnete.

Nur vorwärts! lautete die Parole im ganzen Heere, welches unthätig am reten Vanitza-Ufer lagerte, und in dieſen Ruf ſtimmten bald auh die Herren von der Dari-Choura (Hoffrieg8rath) in Stambul ein, indem ſie Mehemed Ali mit Depeſchen überſ<hwemmten, ihm dur< Couriere langathmige Verhaltungsbefehle zukommen ließen, welche darin gipfelten, Biela eheſtens zu nehmen, es foſte, was es wolle. Die hierzu aber unbedingt nothwendigen Verſtärkungen, die ſi Mehemed Ali erbeten und ohne welche er ſhle<terdings nichts gegen die furchtbar befeſtigte und von drei Armeecorps vertheidigte Poſition unternehmen fonnte, wurde ihm niht geſandt, im Gegentheile, elf bereits als Verſtärkung im Lager zu Schumla eingelangte Bataillone erhielten, ohne daß Mehemed Ali darum gefragt wurde, von Stambul aus direct Marſchordre, unter Scheſket Paſha ſi< nah den Weſtprovinzen zu begeben, wo ſie zwar auh wichtig, aber do< niht ſo nothwendig geweſen, wie am Orte, wo ſi< binnen wenigen Tagen das Schi>kſal der Türkei entſcheiden ſollte.

Dieſe Zeit des Zauderns hatten die Ruſſen vortrefflih auszunüßen verſtanden und ihre von Natux aus ſcon fur<tbaren Poſitionen auf den

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re<tſeitigen Fantra-Höhen dadur< no< mchr zu verſtärken gewußt, daß ſie nun auch die linksſeitigen Begleitungshöhen des Vanißa-Lom, insbeſondere aber die ſtark bewaldete Hochebene von Cairfköi und von dort den Höhenzug, welcher ſih bis an die Quellen des Kadiköi-Deré hinzieht, in ihr Vertheidigungsneß hineinzuziehen und dadur< ſi< vor einem Flankenangriff zu ſ{<üten, den Mehemed Ali im Vereine mit der Armee von Osman-Bazar ſhon längſt in Ausficht genommen hatte. Die Poſition, welche vor einer Woche etwa noh gar niht zur Vertheidigung hergerihtet war, ſtarrte heute von einer Unzahl von Werken und bedrohte auh die directe Verbindung mit der längs der Tirnowaſtcaße bei Cſes medje und Dzumalköi lagernden Armee Mehemed Selim'’s, des Commandanten der Diviſion von Osman- Bazar, in bedenklichſterx Weiſe und machte die Mithiife der letzteren an etwaigen Angriffsbewegungen complet illuſoriſch. Deshalb, ſollte ein Frontalangriff mit Ausſicht auf Erfolg unternommen werden, mußten die Stellungen von Bejin- Verboka, Cairkösi und Karadas vorerſt ohne alle Frage den Ruſſen abgenommen werden.

Durch eine Anzahl von Recognoëcirungen, welche General Baker mit vielem Verſtänduiß und Kühnheit durchgeführt, wurde zur Genüge conſtatirt, daß jene Höhen blos von einer Diviſion, und zwar der, 32. beſet ſind, und daß zwiſchen dieſer und den nächſten ruſſiſ<hen Truppen eine genügend große Diſtanz vorhanden ſei, um eine rehtzeitige Unterſtüßung der erſten unmögli<h zu machen. Deshalb ertheilte Meh emed Ali, nachdem er Tags vorher Kriegsrath mit ſeinen Unterfeldherren gehalten, ſeine Dispofitionen. Der Verlauf der für den Serdar ſo verhänguißvollen Schlacht war folgender:

Ein leihtes Gewitter, welches in der Nacht vom 20. auf den 21. niederging, machte dem ſtrömenden Negen der vorhergehenden Tage ein Ende, Die warmen Strahlen der Sonne, die den jungen Tag vom 21. September begrüßten, tro>nueten raſh die bereits {wer fahrbaren Wege und den tief durhweihten bulgariſchen Boden, ſo daß no< in den Vormittagsſtunden die Wirkung des dreitägigen Regens vorüber war und die ungeſtörte Bewegung aller Waffengattungen ermögliht wurde. Der türkiſche Obercommandant konnte ſomit ſeine ſhon für den vorhergehenden Tag projectirte ſharfe Recognoscirung gegen die Höhen von Cairköi oder, beſſer geſagt, gegen die vom Feinde bei BejinVerboba beſeßte Stellung zur Durchführung bringen. Jn den legten Tagen wurde nämlich von den ausgeſendeten Recognoscirungs-Patrouillen übereinſtimmend gemeldet, daß die Ruſſen bedeutende Kräftè bei Verboßa anſammeln, und