Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
wünſchten Auskünfte, auch die Verſicherung, daß nach den von ihm getroffenen Dispoſitionen der neue Obercommandant der Balkan-Armee Reouf Paſcha binnen Kurzem endli<h die Räumung des Schipka-Paſſes erzwingen werde und man auf die Mitwirkung dieſer Armee mit jener vor Osman - Bazar und Djuma baldigſt re<nen fönne. Suleiman Paſcha erhielt, wie er Mehemed Ali erzählte, am 27. September bereits dur< den Palaſtmarſchall Said Paſcha Nachricht von ſeiner neuen Würde, worauf er telegraphiſ<h Reouf na< Sliwno beſchied, ihm das Obercommando übergab, und über Kazan, Osman-Bazar und Djuma na< Rasgrad Tag und Nacht reiſend gelangte. Nach einer Stunde ſeßte, von Suleiman in reſpectvoller Weiſe an ſeinen Wagen geleitet, Mehemed Ali ſeinen Weg nah Schumla fort.
Jn Rasgrad, wo man in aller Eile Sule iman einen glänzenden Empfang vorbereitet, ſchenkte man dem Manne, der die Bewohner dieſer guten Stadt vor dem ruſſiſ<hen Einmarſch gerettet, feine Beachtung. Fn Schumla traf Mehemed Ali in den Mittagsſtunden ein, begab ſi<h jedo<h weder in's Lager, no< in das Schloß, ſondern nahm gegenüber dem Konak im Polizeiamte ſein Abſteige-Quartier.
Vor der Wohnung des Serdars, einem kleinen, einſtö>figen netten Häu8chen ſtanden einige von ihren Pferden abgeſeſſene Reiter um einen mit Effecten des Marſchalls beladenen kleinen Pacwagen, zwei Offiziere, wovon der Eine Husny Bey, gingen plaudernd auf und ab, und einige Soldaten drehten auf den Steinſtufen des Vorplatzes ſitzend, ſi< in Gemüths8ruhe ihre Cigaretten. Ein Ehrenpoſten, oder fonſt dergleihen, war niht zu erbli>en. L
Einige Züge aus dem thatenreihen Leben Ali Paſchas möge zur Charakteriſtik des geſtürzten Serdars dienen. ;
Es war in der Schlacht von Cairköi. Sie neigte ſi< ihrem Ende zu. Auf einem Plateau ſtand der Serdar umgeben von wohl hundert Offizieren, das mochte dem Feinde niht eher aufgefallen ſein, bis alle Pferde in der Nähe gehalten wurden, deshalb richtete die gegenüberliegende Batterie ihr Feuer auf die Truppen und brachte zwei Shrapnels ſo nahe, daß der Generalſtabs-Chef Husny Paſcha den Befehl gab, alle Pferde außer Schußbereih zu bringen und „Niederſeßen“ commandirte. Der Marſchall fügte ſih ebenfalls der Ordre und ließ ſi< nun ſeinen Tſchibuk und {<warzen Kaffee reihen, ein Zeichen, daß das Gefecht ſo gut wie beendet war, wennglei<h der Tirailleurkampf zwiſchen den drei Bataillonen im Centrum und zwiſchen der ihnen gegenüberſtehenden überlegenen ruſſiſchen Junfanterie no< immer mit der gleichen Stärke anhielt. Viermal hatte der Marſchall bereits
IE
Ordre extheilt, daß dieſe heldenmüthigen Truppen aus dem Feuer zurü>zuziehen ſeien, aber die Tapferen wollten den Boden, welchen ſie dem Feinde abgerungen hatten, niht aufgeben. Da entſhloß ſi<h Salih Paſcha, ſeine Leute ſelbſt aus dem Feuer zu holen. Das war um halb ſieben Uhr Abends, da es bereits ſo dunkel war, daß die Artillerie niht mehr zielen konnte und folgli< ihr Feuer einſtellen mußte. Um dieſe Zeit wendete ſi< Mehemed Ali zu ſeiner Umgebung und ſagte: „Meine Herren, die offenſive Recognoscirung iſ zu Ende — es hätte ein allgemeiner Angriff werden ſollen, aber der linke Flügel hat ſeine Schuldigkeit niht gethan!“
Der Marſchall gab noh weitere Erklärungen, nah welchen die Schuld an dieſem Verſagen der egyptiſhen Truppen nicht auf Re<hnung derſelben oder ihres Führers Jsmael Paſcha, des Commandanten der aus zwölf egyptiſhen und fünf türfiſhen Bataillonen combinirten Diviſion, zu ſetzen iſt. Es war vor dem Gefechte ſhle<t recognoscirt worden, und man hatte dieſe Bataillone auf einem Wege vordirigirt, der von den Ruſſen zerſtört worden war, ſo daß die Artillerie niht vorrü>en konnte.
Nach ſeinem Sturze zeigte der Serdar ſeinen offenen Geiſt; au< im Unglü>e behielt er ſeine Faſſung in hohem Grade. Zum Beweis deſſen ſchilderte eine Dame von hoher geiſtiger Begabung einen Beſu bei Ali Paſcha folgendermaßen: „Mehemed Ali führte mi<h zu einem Lehnſtuhl neben ſeinem Plaße und wir ſeßten uns. Mir gegenüber ſaß -ein großer blonder Offizier in Honved-Uniform. Der Feldmarſchall ſtellte ihn mir als Lieutenant Zubovits vor, der ihn auf die Schlachtfelder begleitet. Dann erſchien Graf Sala, der Bevollmächtigte der Pforte bei der Ausſtellung in Philadelphia, und ein junger Effendi, Noury, der faſt vor Mehemed Ali auf die Kunice fiel, als er ihn begrüßte. Die Unterhaltung wurde ziemlich allgemein, Mehemed Ali ſpra<h viel und mit. großer Geläuſigkeit. Jh hatte nun Gelegenheit, ihn näher zu betrahten und mir ſein Aeußeres einzuprägen. Er iſ über mittelgroß, breitſhultrig und hat entſchieden niht das Ausſehen eines Türken, ſondern eines verkleideten Europäers.
Er ſprach zuerſt von ſeiner eigenen Lage, die ihm ſelbſt no< nict ganz klar zu ſein ſchien. „Meine Abſetzung,“ ſagte er, „hat den Sultan, bald nachdem er ſie au8geſprochen, gereut; er wollte Gegenbefehl geben, aber einige Miniſter verſicherten ihm, es ſci zu ſpät dazu, Suleiman wäre bereits abgereiſt. Dies. habe i<h vom Miniſter des Funern. Man hat mi<h beim Sultan no< niht vorgelaſſen. J<h weiß, daß ih mehr Feinde habe als Freunde.“ Von Anfang an war i< im Lager von einigen Perſonen