Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
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überhaupt einzunehmen war oder nicht, wenn die Ruſſen eine Redoute oder au< mehrere nehmen, ſie genau daſtehen, wo ſie früher ſtanden; ob es einen Shlüſſelpunkt der Stellung giebt, mit welcher alle anderen Verſchanzungen von ſelber fallen müſſen, oder ob niht jede Schanze für ſi<h einzeln genommen werden muß, was einen enormen Aufwand an Zeit und Blut, eine Belagerung bis tief in den Winter hinein erfordern müßte. Totleben wußte es ja von Sebaſtopol her am beſten, wel<he Ueberraſhung einem Belagerer von geſchi>ten Genie- Offizieren gegenüberſteht. Bei Plewna brauchte eigentli<h ſolches niht bewieſen zu- werden. Wie viel iſt niht früher von der Grivißa-Redoute geſprohen worden ! Nun hatten ſie die Rumänen ſchon, aber wie der Hydra, wenn man ihr einen Kopf abſchlägt, immer einer na<wä<ſt, ſo war au< in unmittelbarer Nähe dieſer Verſhanzung eine zweite türkiſche Grivißa-Redoute entſtanden, welche ebenſo herausfordernd dem Feinde eutgegen bli>te wie früher die erſte. Lettere ſollte ein dominirender Punkt ſein, ſie war es nur in türkiſhen Händen, die Rumänen, die ſie nunmehr beſett hielten, wußten damit nichts anzufangen und Osman Paſcha hielt ſi< eiſenfeſt, als wenn nichts vor“gefallen wäre, - na<h wie vor in Plewna. Daß die Rumänen ſchon die vierte Parallele gegen die zweite Redoute eröffneten, genirte ihn gar ni<t. Er ließ fie ruhig gewähren, {<oß ihnen vielleiht am Tage des Sturmes ein paar Tauſend Mann zuſammen und überließ ihnen dann, nahdem er ſeine Geſhüße zuvor zurü>gezogen, die Redoute, die ſol<he Opfer möglicherweiſe gar niht werth war, oder die, wenn au< genommen, wie ſo mane von dem Feinde ſhon erobert geweſenen Punkte vor Plewna, von demſelben wieder geräumt werden mußten, weil fie im Kreuzfeuer anderer türkiſhen Redouten lagen. Solche Redouten hatte Osman Paſcha am 11. September {hon vierzehn.
Das Alles mußte Totleben wohl erwägen, bevor er das verhängnißvolle Verdict abgab, daß die Belagerungs8arbeiten fortzuſegen ſeien. Uebrigens wurde die Berufung des Generals Totleben an die Donau in Rußland mit großer Sympathie begrüßt. Man glaubte, daß er als Kriegspraktiker mit ſeinen Arbeiten und Rathſchlägen einen großen Vortheil bringen konnte. Niemand mochte den Ruhm beſtreiten, den er in Sebaſtopol gewonnen, der ſichere Blik für Beſtimmung der taktiſchen Bedeutung jeder Localität, und Findigkeit und Gewandtheit bei Ausnüßung des geringfügigſten Umſtandes zeihneten ihn aus; Selbſtſtändigkeit und ein feſter Charakter verliehen ihm Vorzüge, welche eine bewußte und conſequente Ausführung der Sache gewährleiſteten, die niht na< dem Schein
haſcht, ſondern ſicher geht. Es war auh anzunehmen, daß na< Ankunft des Generals Totleben in der Donau-Armee der Gang der Dinge bei Plewna eine andere Richtung einſchlagen werde, und daß ſtatt der offenen Attaquen und des zielloſen Bombardements auf die Erdwerke, hinter denen die Türken ſaßen, irgend ein anderer Modus der Action ausfindig gemacht werde.
Die anfangs vollzogene Ernennung des Generals Totleben zum Generalſtab 8<hef der Armee vor Plewna, d. h. zum tafktiſhen Obercommandanten dieſer Heeresabtheilung lieferte daher den Beweis, daß die Ruſſen ihre Angriff8pläne gegen die Poſitionen Osman Paſchas trot, oder vielmehr wegen des herannahenden Winters mit aller Energie wieder aufzunehmen beabſichtigten, mit dem Unterſchiede jedoh, daß ſie, na<hdem es mit dem blinden Darauflosſtürmen, mit der brutalen Gewalt allein niht mehr gegangen war, es nunmehr mit der wiſſenſhaftlihen Methode verſuchen wollten. Totleben hatte aus den Tagen von Sebaſtopol einen ſo bedeutenden Ruf, daß er demgemäß von den Ruſſen förmli<h als Meſſias begrüßt wurde. Ex ſollte den verfahrenen Karren wieder herausarbeiten, aber er hatte troß ſeiner unleugbaren Genialität bisher nur in der Defenſive Großes geleiſtet; den Beweis, daß er ſih ebenſo auf die Offenſive verſtehe, hatte er erſt zu erbringen. Schwierig genug mußte ihm ſeine Aufgabe dadur<h werden, daß es den Ruſſen notoriſh an dem für die Schanzgräberei nothwendigen Kriegsmateriale mangelte, Andererſeits wurde ihm ſeine Miſſion dadurch erleichtert, daß er nicht blos der Leiter der Geniearbeiten, ſondern, wie {on vorhin bemerkt, der faktiſhe Obercommandant war, denn als Generalſtabs<hef des nominellen Obercommandanten, Fürſten Karl, und zudem no< rangsälteſter General der Armee vor Plewna, hatte er die Wahl des Zeitpunktes, wann zum Angriff ge= geſchritten werden ſollte, ganz in ſeiner Hand, wenn niht die nervöſe Ungeduld des Czaren oder des Großfürſten Nikolaus wieder dazwihen fuhr, von Osman Paſcha ganz abgeſehen, der do< au< da war und dur<h einen Ausfall alle ſo fein ſauber auf dem Papiere abgezirkelten Belagerung8arbeiten eines #ſ{<önen Tages durcheinanderwerfen könnte. Vorläufig traf Osman Paſcha keine Vorkehrungen und ſete die Ruſſen dadur< namentli< in Erſtaunen, daß er das Mittel der Contre-Approchen niht in Anwendung brachte. Die Unterlaſſung dieſes Gegenſhachzuges ſeitens der Türken hob aber durhaus nicht den Muth der Belagerer, wirkte vielmehr eher unheimli<h auf dieſelben ein und im ruſſiſh-rumäniſhen Lager ging die Sage, ſtatt der Contre-Approchen habe dex türkiſche