Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

wirkte ex beim Bau von Kronſtadt und den übrigen ruſſiſhen Feſtungen mit. Von hohem wiſſenſchaſtlihen Werthe iſ ſein von General Lehman in's Deutſche überſeßtes Werk: „Die Vertheidigung von Sebaſtopol“ (1865).

Totleben's Bedeutung als Genie-General iſt au< in Deutſchland rühmli<ſt bekannt. Er hat ein deutſches Geſicht, ſtramme Haltung, ſpricht das Deutſche mit kaum merklihem Accente und hat einige Aehnlichkeit mit dem deutſchen Feldmarſchall v. Roon in jüngeren Fahren. Er macht den Eindru> eines Fünfzigers.

Totleben erfannte gar wohl die ſchwierige Lage, in wel<he man ihn nunmehr verſeßt hatte. Er ſagte no< in Bukareſt, er wolle hoffen, daß es ihm vergönnt ſein werde, wirkli<h etwas zu leiſten. Um dieſes zu können, ſei aber vor Allem Geſundheit nöthig. Leider fühle er ſi< von der fünftägigen Reiſe von Petersburg nah Bukareſt ſehr angegriffen. Als der kaiſerliche Befehl an ihn gelangt ſei, habe er frank im Bette gelegen und hoffe von der friſchen Luft, die ihn bald umgeben würde, einen Erfolg gegen heftige Kopf\{<merzen, welche er als Folge der anſtrengenden Reiſe anſah.

Gleich in den erſten Tagen nah der Ankunft des berühmten ruſſiſhen Genie-Generals machte ſich die einheitlihe Führung dur< den den ruſſi{hen Abtheilungen vom Centrum der Aufſtellung bis zum linken Flügel ertheilten Befehl bemerklich, fünf Kilometer vorzugehen, dort ſi< zu verſhanzen und ſoglei<h mit der größtmöglichen Schnelligkeit zur Eröffnung von Parallelen zu ſchreiten, ſo daß der Ring, welcher dur<h das Vordringen der Rumänen und das Zurücbleiben der Ruſſen unglei<hmäßig geworden war, binnen einigen Tagen ſchon zu einer ſyſtematiſchen, einheitli<hgeführten Belagerungs-O peration wurde. Außerdem wurde die Einſchließung der türkiſhen Stellung in rationeller Weiſe in Angriff genommen. Die ſo oft gemeldete und ſo lange erwartete Operation gegen die Straße von Plewna nah Orhanie wurde beſchloſſen und ſogar vom 8. bis 17. October durchgeführt. Der energiſhe General Gurko wurde an Stelle des ſ<wachen Generals Kriloff zum Commandanten des hinter Plewna operirenden fliegenden Corps ernannt und trat auh ſoglei< in die Action, indem er der weiteren Verproviantirung und Verſtärkung Osman Paſchas vorläufig ein Ende machte. Außerdem marſchirten ſhon am 7. October die erſte Garde-Diviſion und eine Brigade der 3. Diviſion auf der Straße na<h Lowtſcha ab, trafen am 9. in Liſeß ein und rü>ten am 10. und 11. über Biras, Beglys bis Esfki-Brkaß vor, wo ſie Raſttag hielten, um am 13. und 14. über Radoweß zu marſchiren, bei Svina über den Widfluß zu ſeßen und am 15. und 16. Telis zu erreichen. Dort trafen fie einen Theil der Cavallerie-

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Abtheilung Gurko's und bekamen Fühlung mit den nördli< und nordweſtli<h von Plewna operirenden ruſſo - rumäniſ<hen Abtheilungen des Generals Las fkareff, welcher zwiſchen Trſtenik, Etropol und Aſage-Dubnik mit ſe<s CavallerieRegimentern, vier reitenden Batterien und zwei Schüßenbataillonen den Cernirungs-Cordon vervollſtändigte. Troßdem war doch der nordweſtliche Theil des Cernirungs-Ringes der <hwäc<ſte Punkt desſelben geworden.

Ueberdies \<hien au< der Zuſtand der türfiſhen Armee in Plewna ſi derart verſhlimmert zu haben, daß ein Verſu<h Osman Paſchas, ſich nach irgend einer Seite hin Luft zu machen, unausbleibli<h war. Der Krankenſtand und die Sterblichkeit der türkiſhen Armee waren nämlich noh viel größer als in der ruſſiſh-rumäniſchen. Darum wurden auh die Deſertionen bei den Türken viel häufiger. Täglih brahte man Rudel von zehn bis zwanzig Deſerteuren aus Plewna, welche einſtimmig über Mangel an Nahrung flagten; es war dieſes immer das erſte Symptom der ſhwierigen Lage einer belagerten Armee. Ob eine Redoute verloren und wieder erobert wird, das bleibt für den Verlauf der Operationen ziemli< gleichgiltig. Jeder ſol<he Pyrrhusſieg foſtete ODsman Paſcha einige tauſend Mann, die er- niht mehr erſeßen konnte, was bei den Angreifern niht der Fall war, da ſi dieſelben tro aller Verblutung do< wieder verſtärken konnten. :

Der ruhmvolle Kampf, den Osman Pa\<a in Plewna lieferte, blieb alſo ein ausſihtsloſer, wenn nicht eine andere türkiſhe Armee, vom Lom oder vom Balkan aus, der PlewnaArmee Luft gemacht hätte. Dazu war aber nah dem damaligen Stand der Dinge keine Ausſicht mehr vorhanden. Reouf Paſcha war niht mehr in der Lage, den Schipka - Paß zu forciren ; Schefket Paſcha konnte von Orhanie aus nicht mehr bis Plewna vordringen. Die einzige Armee, welche dur< ihre Operationen die Deblokirung Osman Paſchas bewirken konnte, war die Armee Suleiman Paſchas. Allein derſelbe fonnte nux über eine Operations-Armee von höchſtens 70.000 Mann verfügen, welche der Armee des Großfürſten-Thronfolgers in keiner Hinſicht gewachſen war; au< war die ruſſiſche Stellung hinter dem Lom äußerſt ſtark, ſo daß eine Forcirung derſelben ſeitens der türkiſchen Oſt-Armee nicht mögli<h war. Ebenſo waren bedeutende Verſtärkungen im ruſſiſhen Lager angelangt, da man ſi< für eine eventuelle Niederlage vorſah.

Die Türken hatten bekanntli<h aus Plewna ein verſchanztes Lager gemacht. Ueber zwanzig Werke beherrſhten die Stadt. Mittelſt eines offenen Sturmangriffes war feine der türkiſchen Redouten zu nehmen. Es war faſt ein Wunder