Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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zu nennen, daß es den Rumänen und Ruſſen troßzdem geglü>t war, im September die Redoute von Grivißa zu erſtürmen. Aus drei, vier, ja ſtellenweiſe ſogar fünf Feuerlinien ſendeten die Türken in die Reihen der vorrü>enden Ruſſen Tod und Verderben. Nur um den Preis furctharer Verluſte konnte die Redoute genommen werden. Tauſende Todter, Verwundeter verſchlang die Erſtürmung dieſes einen Werkes, Sollte die Wegnahme Plewnas niht eine ganze Armee koſten, ſo mußte man ſi< zu einem verde>ten methodiſchen Angriffe entſchließen. Zunächſt wurde die Belagerung der zweitnächſten Redoute von Grivißta eingeleitet. Dieſe, von etwa 1000 Türken und 6 Geſhüßen beſezte Redoute dominirte die nunmehr in den Händen der Numänen und Nuſſen befindliche, faſt ganz und gar nicht, allein ſie flanfirte die weitere weſtwärtige Vorrü>ung von Griviza gegen Plewna und mußte deshalb früher genommen werden, bevor man gegen die unmittelbar oberhalb Plewnas angelegten Redouten nur einen Schritt weiter vorgehen konnte. Zunächſt wurde die genommene Redoute zum Kampfe weſtwärts gegen die Plewna-Werke und nordwärts gegen die zweite Grivißa-Redoute hergerihtet. Die rumäniſchen Soldaten tauften dieſes leßtere Werk Plewnitza (Klein-Plewna). Tag und Nacht wurde gearbeitet. Mit wahrem Bienenfleiße gruben und ſchaufelten ſi< die Rumänen immer weiter vorwärts; Andere flo<tenSchanzförbe, ſchleppten ſie herbei und füllten ſie, behufs Erhöhung der Bruſtwehr.

Nach dieſer flüchtigen Darſtellung dürfte man ſi< über die Natur des Kampfes bei Plewna ein ziemli< zutreffendes Bild machen können. Die Situation anfangs October in Plewna bot folgendes Bild. Man gelangt nach einer kleinen Wegſtunde durch ein gegen Plewna ſi hinziehendes Thal auf das Plateau der Vrbißa-Höhe. Unzählige Schüßengräben von allen Abmeſſungen für einzelne Süßen, für Shwärme, Züge bis ganze Compagnien hinauf, bede>ten Hänge und Rücken der Höôhe. Vorwärts Grivita eine kleine halbe Stunde, war eine Linie von Batteriebruſtwehren und drei Redouten ſihtbar. Die oberſte Redoute war die den Türken abgenommene. Die Redoute ſelbſt war jedenfalls eine fur<tbare paſſagere Verſchanzung, fünfſeitig, die Seite bis 70 Schritte lang, innen dur die zahlreihen Traverſen in ein wahres Labyrinth verwandelt. Aus der Redoute ging's in den Schüßengraben am linken Flügel. Dorobanzen des 7. Regiments ſtanden ſhußbereit an den Scharten zwiſchen den Schanzförben. Der linke Flügel lief in eine kleine Baſtion mit Geſchüßen aus.

Die Erdarbeiten waren coloſſal in Anbetracht der furzen Zeit ihrer Ausführung. — Und zum Theil erklärte ſi< die Maſſe der bewältigten Arbeit nur aus der Vertrautheit des Rumänen

mit Erdarbeiten, die er vom flachen Lande mitbringt, wo er in unterirdiſchen Erdhütten wohnt. — Squlter an Shulter, \ſpähte der Rumäne wie Ruſſe aus, um ſeine Kugel einem etwa drüben aus der Plewnibßa-Redoute auftauchenden Fez zuzuſenden. Vereinzelte Schüſſe krahten auch hinüber, Viel mehr aber flogen von drüben Kugeln über die Köpfe ihrer Belagerer hinweg, oder ſie ſhlugen in die Schanzkörbe ein, daß der Erdſtaub aus ihnen nur ſo aufwirbelte. Die Türken ſpähten ebenfalls ſcharf aus. Nur mit großer Borſicht konnte man nah der türkiſhen Redoute auslugen dur< die Riben und Spalten zwiſchen den Schanzkörben, und da nur auf kurze Zeit. Die Plewnißga-Redoute war allem Anſchein na< no< ſtärker profilirt als die bereits genommene. Ueberdies arbeiteten au<h die Türken Tag und Nacht an ihrer Vervollſtändigung. Dabei waren die Gegner ſo nahe an einander gerüd>t, daß die Soldaten von hüben und drüben mit einander ganze Geſpräche führen fonnten. Zwiſchen den beiden Werken lag eine Menge Leichen Gefallener. Aus den rumäniſchen Laufgräben hätte man ſie faſt mit der Hand erlangen fönnen. Zweimal bereits wurde mit den Türken wegen Begrabung dieſer Gefallenen parlamentirt, beide Male ohne Erfolg. Os8man Paſcha wollte davon ni<ts hören. — Die Rumänen hielten \ih dort waer. Es blikte, rauchte und donnerte von allen Seiten. Die überaus lebhafte Kanonade fand zur ſelben Zeit ſtatt, in welcher gerade der General Tottleben ſeine Detailbeſichtigung der rumäniſchen BelagerungS8arbeiten vornahm und au<h Großfürſt Nikolaus ſowie Fürſt Karl in den vorderen Linien \i< befanden. Es iſ eine beliebte Ausrede in einem jeden Kriege und bei jedem friegführenden Theile, daß, wenn ein Vorſtoß gegen die feindlihe Macht nicht gelingt, derſelbe hinterher als bloße „Recognoscirung“ erflärt wird. So war es auf türkiſcher Seite mit dem Treffen von Verboka-Cerkowna und ſo wurde es auf ruſſiſcher Seite mit den Gefechten gehalten, welhe am 24. October der ganzen Lom-Linie entlang geliefert wurden. Spät genug hatte die offizielle ruſſiſhe Kriegsberichterſtattung ſi< überhaupt zu einem Bulletin darüber herbeigelaſſen, ſie hätte offenbar am liebſten die ganze Sache todtgeſhwiegen und dies auch gethan, wenn niht der Prinz Sergius v. Leuchtenberg dabei den Tod gefunden hätte. So erfuhr man, daß die Armee des Thronfolgers im allgemeinen Vorrü>en gegen die von den Türken beſebten re<tsſeitigen Begleitung8höhen des {warzen Lom begriffen war, daß ſie na< einem Punkte ſuchte, die türkiſhe Aufſtellung zu durchbrechen und aufzurollen, daß ſie aber hierbei, Dank der Umſicht und Energie des türkiſhen Unterfeldherrn Aſſaf Paſha, vollſtändig Fiasco machte. Es

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