Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
Die Türken wurden unvorbereitet überraſcht. Jhre Commandanten ſchliefen bereits, als die Kanonade begann. Um 9 Uhr wüthete ein ſ<weres Höllenfeuer. General Grabbe ſtürzte vor, erhielt eine Kugel in die Bruſt, fiel und verſchied. An Grabbee's Stelle wurde zuerſt Bulmering, darauf Tſchawtſchawadtſe zum Befehlshaber ernannt. Die Ruſſen drangen weiter vor und verlangten die Capitulation. Der Commandant antwortete mit einer Weigerung und ergab ſi< erſt am Morgen.
Ueberall hörte man Hurrah-Geſchrei und die Nationalhymne. Die Türken eilten zu Tauſenden den Bergen zu. Die Kavallerie wurde ihnen zur Verfolgung nahgeſchi>t. Zum Abend des folgenden Tages waren 14.000 Gefangene eingebracht. Vorräthe für ſe<s Monate wurden erbeutet. Am 19. November fand der feierlihe Einzug ſtatt. Die Bevölkerung war froh. 800 Offiziere wurden gefangen. Die Türken und Armenier brachten in zwei Gruppen, die Geiſtlichkeit an der Spite, dem Großfürſten Salz und Brot dar. Es herrſchte ein unbeſchreibliher Jubel.
Unter den beim Sturm auf Kars Getödteten und Verwundeten, den gefallenen Offizieren befanden ſi< außer dem General-Major Graf Grabbe, General Velinski, Commandant des 3. Grenadier-Regiments; Oberſt Butſhkiewoff vom 131. Fnfanterie-Regiment, und Major Geritſ<,
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Commandant des erſten kaukaſiſhen SchütenBataillons. Oberſt-Lieutenant Fürſt Melikoff, Commandant des 4. kaukaſiſchen Schüßenbataillons, war ſeinen Wunden erlegen.
Gar bald wurde behauptet, daß der Fall von Kars durch die Verrätherei des türkihen Artillerie-Oberſten Huſſein-Bey, der
„ſeine militäriſhe Ausbildung in Woolwich genoß,
herbeigeführt wurde. Man hatte ihn ſeit der Einnahme von Kars mit General Loris-Meſlikoff reiten ſehen.
Es wurde ferner unter den Hauptorten des aſiatiſchen Kriegsſhauplazes no<h Bajazid genannt. Lebteres hatte in dieſem Kriege einige Male die Herren gewe<hſelt, welhe es meiſtens ohne Kampf aus ſtrategiſhen Gründen räumen mußten. So auh diesmal wieder General Tergukaſoff.
Während der rehte Flügel der Kaukaſus-Armee Ardahan eroberte, das Centrum Kars ein\<loß und bis Sevin vorrü>te, nahm der linke Flügel Bajaz id, wo eine Beſatzung zurügelaſſen ward, und bedrohte Erzerum. Hier jedo<h wandte ſi< das Blatt zu Ungunſten der Ruſſen. Tergukaſoff, der Höhſtcommandirende des linken Flügels, konnte ſi< in der zerſtörten Feſtung niht halten, gab dieſelbe auf und ging mit ſeinen Truppen und der befreiten Beſaßung an den Fuß des Berges Arrarat zurü>.
Die $<la<t von Elena.
Am 4. Dezember griff Suleiman Paſha die Poſitionen von Marian und Elena an. Es war dies kein vereinzelter Vorſtoß, ſondern ein Theil der allgemeinen Offenſive, welche die türkiſhe Hauptarmee auf ſämmtli<he ruſſiſ<he Poſitionen von Ruſtſchuk bis zum Balkan unternommen hatte. Suleiman Paſcha hatte dieſe Offenſive von langer Hand vorbereitet und ſi< zu derſelben ziemlih lange Zeit gelaſſen.
Um die Offenſive Suleiman's und den gegen Tirnowa gerichteten Hauptangriff beurtheilen zu könyen, muß man ſi< daran erinnern, wie ſorgſam der türkiſhe Oberfeldherr die ruſſiſchen Stellungen vorher recognoscirte, bevor er ſih zum Angriff entſhloß. Schwierig war es, zu erfahren, über wel<he Reſerven der Czarewitſch bei Biela verfügte. Zu dieſem Behufe ward von Ruſtſhuk und Cadikiöi aus ein zweimaliger Angriff auf den ruſſiſchen linken Flügel bei Pyrgos, Me>a, Göl-Tſhesme und Jovan-Tſchiftlik verſucht. Erſt bei dem zweiten Recognoscirungs-Gefehte gelang es den Türken, bis Trſtenik auf der Straße Ruſtſhuk-Biela vorzurü>en und die Ruſſen
dadur< zu ‘zwingen, die bei dem leßteren Orte ſtehende 3. Grenadier-Diviſion in die Gefechtslinie einrü>en zu laſſen und an dem Kampfe zu betheiligen. Hiermit hatte Suleiman genug in Erfahrung gebra<ht und nun kounte er ſeine Dispoſitionen für den allgemeinen Angriff treffen.
Suleiman Paſcha concentrirte in aller Stille ſeine Hauptkräfte zwiſhen Sarmaſuflar und Osman-Bazar und unternahm dann von leßterem Orte aus jenen unerwarteten und energiſchen Vorſtoß auf Elena in der Richtung gegen Tirnowa, bei welchem es ihm gelang, die ihm gegenüber ſtehenden ruſſiſhen Streitkräfte entſieden zu ſhlagen. Der Angriff auf Popfkidöi, der gleichzeitig erfolgte, hatte nur den Zwe>, die rehte Flanke der gegen Elena und Tirnowa in Marſh befindlihen Hauptarmee Suleiman's zu de>en.
Die Vertheilung der gegen Suleiman ſtehenden Streitkräfte war die folgende: bei Pyrgos, Meda, Göl-Tſhesme und YJovan-Tſ\ciftlik befanden ſi< das 12. Corps des Großfürſten Wladimir, weiter ſüdli<h bei Stro>o, Oſtrika und Kröpci, gegenüber Solenik und Kaceljewo,